Ökumenischer Jahresrückblick: Arbeit mit Menschen mit Behinderungen in Burqin im Westjordanland

Erstellt am 17.01.2023

2022 war ein ereignisreiches Jahr in Kirche und Welt. Auch ökumenisch war im Kirchenkreis einiges los. Zur Herbstsynode konnte Pfarrer Torsten Willimczik die neue Ökumenekonzeption vorstellen, die den vielfältigen Angebote und Aktivitäten an Weser und Werre und weit darüber hinaus einen neuen Rahmen gibt.

Zeit für einen kleinen ökumenischen Jahresrückblick:

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Eine Wegstunde westlich von Dschenin im Westjordanland liegt das Städtchen Burqin. In dem mehrheitlich muslimisch geprägten Ort schart sich eine kleine christliche Gemeinde um eine der ältesten Kirchen der Welt, der Legende nach gebaut an dem Ort, an dem Jesus die Aussätzigen heilte (Lukas 17, 11-19): Zehn Aussätzige wurden rein, doch nur einer kehrte zurück, um zu danken und Gott zu preisen. Es ist ein Samariter, ἀλλογενὴς, fremdstämmig, der erkennt, dass er durch den Glauben geheilt wird. Die Erzählung sagt viel über die Kraft des Glaubens, aber auch über Toleranz und Ökumene.

Aus dem Weserbergland in die Berge Samariens

Seit einiger Zeit ist auch der Evangelische Kirchenkreis Vlotho mit einem besonderen Projekt in Burqin verbunden: In den Räumen der Grundschule wurde ein Rehabilitationszentrum für Menschen mit Behinderungen gegründet. In ihm arbeiten Fachkräfte des Sternbergs, des von der weltweiten Brüder-Unität betriebenen Förderzentrums in Ramallah, die hier wie auf dem weiter südlich gelegenen Sternberg mit physio- und ergotherapeutischen Angeboten ihre Klienten in einem Land unterstützen, in dem viele Menschen mit Behinderungen marginalisiert und unterversorgt leben. Aus unserem Kirchenkreis war Pfarrer Christian Hohmann vom oikos-Institut für Mission und Ökumene im letzten Jahr wieder vor Ort, um sich ein Bild von der Arbeit in der neuen Außenstelle zu machen. Über seine Erlebnisse schreibt er:

Vor dem Schulgebäude der Primary Boy School weist ein großes Banner auf das „Burqin Rehabilitationszentrum“ hin. An diesem Morgen treffen wir Mütter mit ihren Kindern. Einige der Kinder sind zum Teil schwer behindert und werden hier therapeutisch behandelt. Aus der geplanten Vorstellungsrunde wird ein intensives Gespräch. Die Frauen teilen untereinander, was sie durchgemacht haben. Tränen fließen. Wir werden stille Zuhörer. Es braucht nur wenige Worte der Übersetzung, um zu verstehen, wie schwer es ist, zum Beispiel als junge Witwe drei Kinder aufzuziehen, von denen eines schwerbehindert ist.

Hilfe an den Rändern der palästinensischen Gesellschaft

Burqin ist ein Projekt, das noch ganz am Anfang steht. Bei allem Engagement des vierköpfigen Teams hauptamtlicher Therapeutinnen und Sozialarbeiterinnen um Abeer Hamad, langjähriger Mitarbeiterin auf dem Sternberg und jetzt in Burqin tätig, spürt man noch den Charakter des Provisorischen, Anfänglichen im Rehabilitationszentrum. Gerade im Norden des Westjordanlands ist die Versorgungslage sehr eingeschränkt. Etablierte Einrichtungen finden sich eher in südlicheren Gebieten wie Bethlehem, dem Ölberg oder dem Sternberg bei Ramallah, oft Regionen mit größerer christlicher Präsenz oder klassische Ziele auf den Pilgerrouten. Dabei trägt gerade die christlich-muslimische Zusammenarbeit in Burqin Früchte: Schon bei einem ersten Besuch 2019 empfing der Ortsbürgermeister Mohammed Al Sabbah die Vlothoer Delegation herzlich, und auch die praktische Arbeit wird meist von muslimischen Kräften getragen, darunter Student*innen der Arab-American University im benachbarten Dschenin.

Für die Menschen, die wir hier treffen, ist es ein unverzichtbarer Ort der Hoffnung geworden. Das betont eine junge Mutter, die mehrere Schlaganfälle erlitten hatte und eine schwere Gehirnoperation hinter sich hat. Vier Monate lag sie im Bett. Sie konnte sich nicht bewegen oder etwas in die Hände nehmen. Seit einem Jahr erhält sie jetzt Ergo- und Physiotherapie. Sie ist glücklich mit ihren beiden Therapeutinnen, denn es geht ihr inzwischen deutlich besser. Die anderen Frauen berichten, dass diese junge Mutter regelmäßig für alle zuhause Pizza backt, mit einer Hand.

Gründung des Fördervereins Sternberg e.V.

Der Einsatz lohnt sich. Davon sind wir, einzelne Gemeinden im Kirchenkreis Vlotho und die Herrnhuter Missionshilfe, überzeugt und haben zur Unterstützung der Arbeit in Burqin und auf dem Sternberg einen Förderverein gegründet.

Der Förderverein Sternberg e.V. hat sich im Februar eine Satzung gegeben; mit der Eintragung im Juli konnte der neue Vorstand offiziell seine Arbeit aufnehmen. Er besteht aus den Pfarrern Niels Gärtner, Liaison Officer für den Sternberg von der Herrnhuter Missionshilfe, Christian Hohmann und Eckhart Teismann sowie Claudia Hensler. Ihr Anliegen: Die Arbeit des Sternbergs und besonders der Therapeuten in Burqin bekannt zu machen und sie materiell und in der internationalen Zusammenarbeit zu unterstützen. Die weitere Entwicklung des Zentrums in Burqin und der therapeutischen Angebote im Norden des Westjordanlands insgesamt benötigt nachhaltige internationale Unterstützung. Denn der Weg sei noch lang, schreibt Christian Hohmann:

In der palästinensischen Gesellschaft fehlt das Bewusstsein für die Förderung und Unterstützung von Familienangehörigen mit Behinderungen. In der Regel bleiben sie zuhause, ohne am Leben der anderen teilnehmen zu können. Langfristig kann die Förderung von Menschen mit Behinderungen nur gelingen, wenn die Bevölkerung hier im Norden Palästinas dafür sensibilisiert wird, dass Menschen mit Behinderungen Rechte haben und sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben wollen.

Mit der Gründung des Fördervereins Sternberg e.V. und der Aufnahme der Arbeit in Burqin in die Ökumenekonzeption des Evangelischen Kirchenkreises Vlotho wurden 2022 zwei wichtige Meilensteine auf diesem Weg erreicht.

Auszüge aus Dr. Christian Hohmanns Bericht „Einfach mal mit anderen sprechen“ (Unsere Kirche, Ausgabe 47, 2022) wiedergeben mit freundlicher Genehmigung des Evangelischen Presseverbands für Westfalen und Lippe e.V.

Ostwestfalen im Westjordanland: Besuch in Burqin (Foto: Förderverein Sternberg e.V. / Niels Gärtner)

Nah am Menschen: Die Arbeit der Therapeutinnen vor Ort (Foto: Förderverein Sternberg e.V. / Niels Gärtner)

Ihre Spenden unterstützen die Arbeit auf dem Sternberg und in Burqin:

Spendenkonto Sternbergverein
Herrnhuter Missionshilfe e.V.
IBAN: DE25 5206 0410 0000 4151 03
BIC:GENODEF1EK1, Evangelische Bank
Projekt: 1716 Sternberg Burqin Sternbergverein 


oder direkt über den Förderverein Sternberg e.V.:

Sternbergverein e.V.
IBAN DE84 3506 0190 1400 3350 16
BIC: GENODE1DKD, KD-Bank
Spende Sternbergverein

Mehr Informationen unter: www.sternbergverein.de