Am Dunkelsten vor Sonnenaufgang: Zum 80. Todestag von Jochen Klepper

Erstellt am 11.12.2022

“Die Nacht ist vorgedrungen” lautet der Eingangsvers des wahrscheinlich bekanntesten Liedes von Jochen Klepper. Im Evangelischen Gesangbuch findet es sich unter den Adventsliedern (EG 16), und so steht über aller Dunkelheit die Hoffnung auf eine neue Zeit: “Der Tag ist nicht mehr fern.”

Der 1903 an der Oder geborene Jochen Klepper ist allgemein als Dichter beliebter geistlicher Lieder bekannt. Zwölf seiner Gedichte haben einen festen Platz in den Gesangbüchern der verschiedenen Konfessionen gefunden; im Evangelischen Gesangbuch ist Klepper nach Luther und Paul Gerhardt der am häufigsten vertretene Autor. Doch war Jochen Kleppers Leben von noch wesentlich größerer Vielfalt und auch Tragik geprägt.

Aus einem niederschlesischen Pfarrhaus stammend war Klepper von Kindheit an tief im Glauben verwurzelt, der seinen Lebensweg und seine Laufbahn bestimmte. Sein Entscheid, nach dem Theologiestudium nicht den Pfarrberuf zu wählen, brachte ihn in die evangelische, politisch engagierte Publizistik. Als Journalist beim Evangelischen Presseverband für Schlesien, aber auch beim sozialdemokratischen “Vorwärts” verband er seinen kirchlichen Hintergrund mit sozialpolitischem Bewusstsein, und früh entdeckte er auch das Radio als wichtiges Medium für seine Botschaft.

Als erfolgreicher Journalist und freier Schriftsteller brachte er es mit seiner aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie stammenden Frau Johanna sowie deren Töchtern aus erster Ehe Brigitte und Renate zu einigem Wohlstand. Doch 1933 brachte die schicksalshafte Wende in seinem Leben: Wegen der jüdischen Herkunft seiner Frau und seiner eigenen Verbindung zur Sozialdemokratie verlor er seine Anstellung beim Rundfunk, und 1937 wurde er, kurz nach der Veröffentlichung seines größten literarischen Erfolgs “Der Vater”, aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkam.

In dieser dunklen Zeit wandte Jochen Klepper sich wieder vermehrt seinen evangelischen Wurzeln zu. Einige seiner bekanntesten Dichtungen erschienen nun, und sein Ringen mit seinem Glauben fand Eingang in seine Tagebücher: Jedem Eintrag stellte er die Herrnhuter Losungen voran. Sein Bemühen um eine Auswanderung kam für ihn und seine Familie zu spät. Nur die Tochter Brigitte konnte nach Schweden fliehen. 1942 scheiterten seine letzten Versuche einer Rettung; ihm stand die Zwangsscheidung von seiner Frau bevor, ihr und ihrer Tochter drohten die Deportation und der sichere Tod in der Shoah. In der Nacht zum 11. Dezember 1942 flohen Jochen, Johanna und Renate Klepper in den Freitod. Sein letzter Tagebucheintrag lautete: “Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des Segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.”

Im Evangelischen Kirchenkreis Vlotho erinnert das Jochen-Klepper-Haus in Dehme an den Pionier der evangelischen Publizistik und einen der großen geistlichen Dichter des 20. Jahrhunderts.

Stolperstein für Jochen Klepper (Foto: OTFW Berlin, lizensiert CC BY-SA 3.0)