Sieben Mal Ewigkeiten: Vlothos Stadtgemeinden proben für die “Musikalischen Ewigkeiten” am 19. und 20. August

Erstellt am 15.08.2022

“Da war ein Textfehler!” Für den unbedarften Zuhörer klingt es nach inhaltsleeren Geraune und Gemurmel, doch Peter Ausländer hört genau hin und korrigiert seine Musiker mit gespieltem Ernst. 100 Metronome, zehn Instrumentalisten und eine Dirigentin bilden bei György Ligetis Poème Symphonique in St. Johannis in Vlotho ein ironisch verwandeltes Symphonieorchester. Das von der Fluxusbewegung inspirierte Stück ist nur eine von sieben musikalisch-multimedialen Stationen, die am Freitag von 15 bis 22 Uhr und Samstag von 10 bis 20 Uhr in Vlotho erwandert und entdeckt werden können.

Das Stück hat seit seiner Uraufführung vor 60 Jahren nichts von seinem bürgerschreckhaften Witz oder der überraschenden Wucht von 100 zusammenspielenden Metronomen verloren. Schon die Proben in St. Johannis zeigen die Konzentration und das Engagement, die eine korrekte Aufführung des Stücks verlangt. Professor Peter Ausländer, Musikpädagoge und Kurator dieser besonderen Ausstellung, erlaubt sich dennoch ein paar Abweichungen von Ligetis bemerkenswert knappen, aber präzisen Aufführungsanweisungen: Anstelle der vorgeschriebenen Formation en bloc mit nach Tempi geordneten Metronomen wirken die einzelnen Akteure verteilt im Kirchenraum, auf der Empore und von der Kanzel herab, was der Inszenierung einen fast hieratischen Charakter verleiht. Die Aufstellung fügt zusammen mit dem feierlichen Ein- und Auszug der Musiker eine weitere, religiös-zeremonielle Bedeutungsebene hinzu, die ernstgenommen, aber auch wieder mit einem Augenzwinkern gebrochen wird. Auch wird, dem Ausstellungskonzept entsprechend, das Publikum nicht von den Vorbereitungen ausgeschlossen, sondern kann frei dazustoßen, verweilen und im Klangteppich der Metronome nach erkennbaren Rhythmen suchen oder wieder zur nächsten Station aufbrechen.

Cage, Ligeti, Satie: Leuchttürme der Neuen Musik in Vlotho

In sieben Stationen haben Līga Auguste, Kantorin an St. Stephan, und Peter Ausländer ein anspruchsvolles und überraschendes Programm gestaltet, das sich um Ewigkeit in all ihren Formen dreht. Die erste Station bringt John Cages wortwörtliches Jahrhundertwerk “As slow as possible”, das seine Partitur in acht Teilen über 15 Stunden ausdehnt (St. Stephan, Freitag 15 bis 20 Uhr; Samstag 10 bis 18 Uhr). Auf Ligetis Poème Symphonique auf Station 2 folgen als dritte Station die “Vexations” von Erik Satie, zwei Minuten Musik, immer und immer wiederholt, bis sie - für den Vortragenden oder den Zuhörer? - zum namensgebenden “Ärgernis” werden (Gemeindehaus St. Stephan, unten, Freitag 15 bis 22 Uhr; Samstag 10 bis 20 Uhr). Station 4 bringt mit Spahlingers “endlos kontinuum” das Publikum mit ins unendliche Spiel mit drei Tonhöhen und drei Tonfarben (Gemeindehaus St. Stephan, unten, Freitag 15 bis 20 Uhr; Samstag 10 bis 18 Uhr), während die “Wetter-Klänge” von Staub und Heyduck auf Station 5 mit ihrer Übertragung der Witterungsinstrumente in der Hör-Hütte in Vlothos Kurpark zum passiven Rezipieren einladen (Sakristei St. Stephan, Freitag 15 bis 22 Uhr; Samstag 10 bis 20 Uhr). Peter Ausländers vier “Klanggebete” von 2004 bis 2014 werden als Filmkunstdokument von Norbert Kaase auf der sechsten Station im Gemeinderaum St. Johannis vorgestellt (Freitag 15 bis 20 Uhr; Samstag 10 bis 18 Uhr). Peter Ausländers Klanglabor auf Station 7 bezieht als Begegnung mit nicht alltäglichen Instrumenten wie dem Donnerrohr oder dem Theremin den Besucher wieder aktiv in die offene und endlose Klanggestaltung ein (Lange Straße 103, Freitag 15 bis 20 Uhr, Samstag 10 bis 18 Uhr).

Bis ins letzte Detail durchexerziert: Selbst die Verbeugung zum Publikum wird genau abgestimmt

Die Reduktion eines Symphonieorchesters: Insgesamt 100 Metronome erklingen in St. Johannis