„Wir bitten alle Christen, sich von jedem Antisemitismus loszusagen und ihm, wo er sich neu regt, mit Ernst zu widerstehen“, appellierte im Jahr 1950 die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Nur fünf Jahre zuvor war der Holocaust von den Alliierten beendet worden. Der großen Mehrheit der Deutschen fiel es schwer, sich damit auseinanderzusetzen, wie es zu derart entgrenzten Verbrechen kommen konnte und in welchem Maße sie durch eigenes Verhalten einen Beitrag dazu geleistet hatten.
Auch die Evangelische Kirche hatte mit einer mehr als 400-jährigen antisemitischen Tradition in der Theologie dazu beigetragen, Ressentiments gegenüber Juden und dem Judentum zu verbreiten und zu verfestigen.
Über diese „Schattenseite des Christentums“ spricht Prof. Dr. Andreas Pangritz am Donnerstag, den 29. Februar 2024, im Wichernhaus an der Heilig-Geist-Kirche in der Wichernstraße 15 ab 19:00 Uhr. Andreas Pangritz war bis zu seinem Ruhestand Professor für Systematische Theologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Direktor des dortigen Ökumenischen Instituts.
Der Abend wird zwei Schwerpunkte setzen: Zum einen geht es um den krassen Judenhass vor allem des alten Martin Luther. Er nimmt im Antijudaismus und Antisemitismus eine solche Schlüsselposition ein, dass sich die Frage stellt, als wie stark die Traditionslinie von Luther zu Hitler zu bewerten ist. Dem Beispiel Martin Luthers widmete Andreas Pangritz vor wenigen Jahren ein ganzes Sachbuch.
Zum anderen geht es in seinem Vortrag um das problematische Verhältnis mehrerer Mitglieder der Bekennenden Kirche zu Juden und zum Judentum. Bereits Dietrich Bonhoeffer kritisierte, dass sich zu wenige seiner Mitstreiter mit der Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung beschäftigten, obschon dies das Hauptverbrechen der Nationalsozialisten darstellte. Man müsse „dem Rad selbst in die Speichen fallen“, so sein berühmtes, widerständiges Diktum nach dem Boykott jüdischer Geschäfte im April 1933. Im selben Text bezeichnete Bonhoeffer die Juden als „das auserwählte Volk, das den Erlöser ans Kreuz schlug“ und offenbarte so, dass auch sein Blick auf das Judentum nicht unproblematisch war.
Der Abend im Wichernhaus wird Anlass und Zeit zur Diskussion bieten und wird gemeinsam mit der Evangelischen Erwachsenenbildung im Kirchenkreisverband Minden, Lübbecke, Herford und Vlotho veranstaltet. Der Eintritt ist frei.