Messias-Oratorium am 12. Juni in der Auferstehungskirche am Kurpark: Ein musikalisches Monument der Völkerverständigung

Erstellt am 12.06.2022

Seit Wochen wird geprobt; das Chorpodest steht auch schon in der Auferstehungskirche am Kurpark: An diesem Wochenende ist es soweit: Die Kantorei an der Auferstehungskirche wird am kommenden Sonntag, den 12. Juni um 19.00 Uhr, gemeinsam mit dem Europäischen Barockorchester Le Chardon das Oratorium Messiah von G. F. Händel aufführen. Bereits am Vorabend (Samstag, den 11. Juni ab 19.30 Uhr) gibt es eine öffentliche Generalprobe, die im Rahmen eines „Minikonzert“ stattfindet, in dem mehrwiegend die Chorstücke der Kantorei mit dem Orchester geprobt werden. “Dieser Abend ist gut geeignet für Chormusikliebhaber, die sich ungern von Soloarien ablenken lassen möchten, denn es kommen nur wenige Arien vor”, so Kantor József Opicz. Am Samstag stehe deshalb die Kantorei im Mittelpunkt der Probe. Für die öffentliche Generalprobe am Samstag beträgt der Eintritt 5,00 Euro, Einlass in die Auferstehungskirche am Kurpark ist ab 19.00 Uhr.

Das komplette Oratorium wird dann am Sonntag, den 12. Juni um 19.00 Uhr aufgeführt. Solisten des Abends sind: Jutta Potthoff (Sopran), Nils Giebelhausen (Tenor), Franz Spenn (Bass) und József Opicz (Altus), Konzertmeisterin ist Rebecca Harris, die Barocktrompeten spielen Neil Brough und Peter Mankarious. Karten sind noch an der Abendkasse ab 18.00 Uhr erhältlich (ab 15,00€). Der Einlass ist ab 18.30 Uhr möglich. Kantor József Opicz, der seit Monaten das Konzert organisiert und probt, freut sich auf das kommende Wochenende: “Lassen Sie sich von der populären Musiksprache Georg Friedrich Händels begeistern und kommen Sie zum Konzert! Herzliche Einladung!”

Stacheldraht umgibt den Kurpark. Noch bis in den späten Herbst prangen am Kurtheater die Hinweisschilder der Besatzungsmacht. In der Wandelhalle versorgt die NAAFI britische Soldaten und ihre Angehörigen mit Produkten aus der Heimat. Immer wieder kommt es auch zu Brandstiftungen in der Stadt. Doch es mehren sich die Zeichen des Wandels: Hinter dem Kurtheater entsteht Diez Brandis beeindruckende Auferstehungskirche, und die als Ersatz des 1947 abgebrannten Vorgängerbaus genutzte Notkirche findet bald eine neue Heimat in Wehrendorf. Bad Oeynhausen erfindet sich neu als weltoffene Kurstadt, und in dieses neue Gefühl der Völkerverständigung mischt sich ein unerwartetes Element: Händels großes Messias-Oratorium.

Am 14. Februar 1954 tritt der englische Dirigent Trevor Parker vor einen Chor, der nur wenige Jahre zuvor undenkbar gewesen wäre: Sänger der britischen Army Group North und deutsche Solisten wagen vereint mit der Nordwestdeutschen Philharmonie aus Herford den großen Wurf mit Händels imposanten Oratorium in seiner vollen Länge und ursprünglichen Orchestrierung. Es ist ein ungewöhnlich kalter Februarabend, aber als die Besucher schließlich das Theater verlassen, bleiben Briten und Deutsche stehen, um auf den noch schneebedeckten Parkwegen über den gemeinsamen Abend zu sprechen. Die heute nur den wenigsten bekannte Aufführung wird nicht nur in der Lokalpresse und den Militärzeitungen gefeiert, sondern findet auch in der altehrwürdigen Musical Times lobende Erwähnung.

Das Messias-Oratorium ist seit seiner Uraufführung im Jahr 1742 ein Dokument der christlichen Völkerverständigung - und der Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten. Bereits Händels Librettist Charles Jennens fordert mit seiner Textauswahl aus der klassischen englischen Bibelübersetzung, der King James Bible, das Publikum heraus. Die christliche Heilsgeschichte wird nicht als einfache Inszenierung des Neuen Testaments dargestellt, sondern muss aus exegetisch anspruchsvollen Stellen besonders des Alten Testaments erarbeitet werden. Noch herausfordernder für seine Zeitgenossen war Händels Entschluss, das Oratorium in ausgesprochener weltlicher Umgebung uraufführen zu lassen, einer Konzerthalle in Dublin, nur einen Steinwurf entfernt vom ehemaligen Fischmarkt.

Auch musikalisch und thematisch verlangt der Messias dem Publikum viel ab: Trotz der, auf ein erstes Hören hin, eingängigen und sofort wiedererkennbaren Passagen spannt Händel einen weiten Bogen an Motiven, Instrumentierungen und Kompositionsformen auf. Von pastoraler Ruhe hin zur erwartungsvollen Unruhe und Anklängen von sprichwörtlich biblischem Zorn fließt und springt die Musik, und nur dem achtsamen Zuhörer wird bewusst, wie die verschiedenen Aspekte kontrapunktisch ineinandergreifen, einander antworten und sich gegenseitig steigern. Die Komposition, von Händel in, trotz Anlehnungen an frühere Werke, rekordverdächtigen drei Wochen zu Papier gebracht, folgt in ihrer durchdachten Struktur der klaren thematischen Abfolge des Librettos, in dem die Geschichte des Menschensohns mit der Geschichte des Volkes Israel aus Sorge und Ungewissheit über Phasen prophetischer Bestimmtheit schließlich zur Offenbarung des “Halleluja” gelangt.

Trotz dieser sperrigen Qualitäten war Händels Messias ein sofortiger Erfolg, nicht zuletzt durch die enthusiastische Aufnahme am britisch-hannoveranischen Hof Georgs II., dessen Begeisterung für das weltbekannte “Halleluja” noch heute allgemein geteilt wird. Nach seiner deutschen Erstaufführung in Hamburg 1772 etablierte sich das Oratorium, zumal in Mozarts Überarbeitung und gekürzter Fassung, fest im musikalischen Leben Großbritanniens und Deutschlands.

Auch in Bad Oeynhausen haben Aufführungen des Oratoriums einen festen Platz im kirchlichen und weltlichen Kulturleben. Seit der letzten Inszenierung im Advent 2016 unter der Leitung Harald Siegers, des damaligen Kreiskantors des Evangelischen Kirchenkreises Vlotho, musste die Stadt länger als erhofft auf eine neue Aufführung warten. Mit oft über 100 Mitwirkenden und, besonders in der ungekürzten Fassung und ursprünglichen Orchestrierung, beeindruckender Länge ist Händels Oratorium eine Monate und Jahreszeiten füllende Aufgabe.

Kreiskantor József Opicz hatte sich seit seinem Amtsantritt im September 2019 darauf gefreut, diese Herausforderung anzunehmen, doch die pandemiebedingten Einschränkungen verzögerten die Planungen und verhinderten letztlich die geplante Aufführung des ersten Teils im letzten Dezember. Nun soll nach den coronabedingten Aufschiebungen ein neuer Anlauf gestartet werden, um den Messias im vollen Umfang und in der lyrischen Sprache der King James Bible aufzuführen. Der vierzigköpfige Chor der Kantorei an der Auferstehungskirche und die Solisten Jutta Potthoff (Sopran), Nils Giebelhausen (Tenor), Franz Spenn (Bass) und József Opicz (Alt sowie Orchesterleitung) fiebern der Aufführung seit einem Jahr voller intensiver Vorarbeit und Proben entgehen. Sie werden begleitet durch das europäische Barockorchester Le Chardon unter der künstlerischen Leitung Hajo Wienroths, dessen multinationale Besetzung den grenzübergreifenden Zauber der Musik lebendig werden lässt und unter denen auch zahlreiche namhafte englische Musiker zu finden sind.

Nach dem denkwürdigen Abend im Februar 1954 blieb Trevor Parker in seiner Londoner Heimat der Kirchenmusik treu und engagierte sich besonders für Gesang und Orgelmusik der englischen und europäischen Renaissance. Doch es war der Händels Barockoratorium, mit dem er sich in die Oeynhauser Musikgeschichte einschrieb, die am 12. Juni 2022 ein weiteres Messias-Kapitel erhalten wird.

Endlich wieder gemeinsam mit einem Orchester zu erleben: Die Kantorei an der Auferstehungskirche (Archivfoto).

Die Aufführung des Messias-Oratoriums findet am Sonntag, den 12. Juni um 19 Uhr, in der Auferstehungskirche am Kurpark (Bad Oeynhausen-Altstadt) statt. Karten sind im Vorverkauf (Gemeindebüro, Kaiserstr. 26, Mi und Fr 8-12, und Haus des Gastes); sowie an der Abendkasse erhältlich (für 22€, 17€, 15€). Kartenreservierung per Email an freundeskreisdontospamme@gowaway.wir-leben-mittendrin.de. Einlass ab 18:30 Uhr.

Eine offene Generalprobe am Samstag, dem 11. Juni, bietet zum reduzierten Eintrittspreis von 5€ eine Kostprobe besonders der Chorstücke und einen Einblick in die aufwändigen Vorbereitungen für das Team um Kreiskantor József Opicz. Einlass ab 19 Uhr.

Freut sich seit Jahren auf das Messias-Oratorium: Kreiskantor József Opicz.