Zupacken und vorwärts schreiten: Erste Kirchenkreissynode bei Schnee mit wegweisenden Entscheidungen

Erstellt am 15.03.2023

Die traditionelle Frühjahrssynode des Evangelischen Kirchenkreises Vlotho scheint jedes Jahr früher stattzufinden, doch eine Tagung des höchsten Entscheidungsgremiums des Kirchenkreises im tiefsten Schneetreiben ist auch in Vlotho ein Novum. Doch im Gemeindehaus Exter, in dem sich die Delegierten aus den Gemeinden und Arbeitsbereichen am Freitagnachmittag trafen, herrschte alles andere als frostige Stimmung. Mit dem Ackersmann-Bild aus dem Wochenspruch (Lukas 9, 62), das Pfarrerin Katharina Kenter-Töns in ihrer Predigt zum Eröffnungsgottesdienst besprach, ging es darum, die Hand an den Pflug zu legen und ohne Zaudern ein weites Feld zu bestellen: Die Zukunft des Kreiskirchenamts, die Gestalt der Leitungsgremien, Schutzkonzepte vor sexualisierter Gewalt und ein Podiumsgespräch zu Gemeindevereinigungen standen auf der Tagesordnung.

Rocco Wilken, Bürgermeister der Stadt Vlotho, begrüßte die Synode herzlich in seiner Wahlheimat „Exter-schräg-Vlotho“ und sprach in seinem launigen Grußwort die grundsätzliche Herausforderung jedes Leitungsgremiums an: Entscheidungen sind zu treffen, ohne zu wissen, wie es morgen ausschauen wird, wie wir in ein paar Jahren arbeiten werden, „oder wie wir 2070 reisen wollen“, wie er mit einem Seitenhieb in Richtung der Deutschlandtakt-Planung des Verkehrsministeriums sagte. Mit Dank für die gute Zusammenarbeit zwischen Stadt und Kirche wünschte er den Synodalen einen konstruktiven Austausch.

Der Blick auf den Kirchenkreis

„Selbstvergewisserung ohne den Blick in die Umgebung ist lächerlich“, begann Superintendentin Dorothea Goudefroy ihren Bericht vor der Kreissynode. Angelehnt an den Maler Hank Schmidt in der Beek, der die Selbstreferenzialität des Kunstbetriebs aufs Korn nimmt, betonte die Superintendentin in ihrem Überblick über die Arbeit insbesondere in den außergemeindlichen Arbeitsbereichen, wie wichtig es ist, nicht nur nach Innen oder in den Spiegel zu gucken, sondern „den Blick in die Welt und auf die Menschen, die immer weniger selbstverständlich mit uns rechnen“ zu wenden.

Veränderung war auch in diesem Jahr das Hauptmotiv: Personelle Veränderungen stehen in den verschiedensten Bereichen an, durch Ruhestände von Pfarrerinnen und Pfarrern und in der Kur-, Klinik- und Altenheimseelsorge, aber auch durch die baldige Neubesetzung der Arbeitsstelle Seelsorge im Alter und die kommende Neubesetzung des Kulturreferats. Von der Telefon- oder Notfallseelsorge bis zur Öffentlichkeitsarbeit oder interkulturellen Arbeit reichte der Vortrag der Superintendentin. Gemeindevereinigungen, Interprofessionelle Pastoralteams, ungewöhnliche Gottesdienstformate wie der Rockgottesdienst und andere neue Ansätze zeigten, dass die Kirche nicht immer alte Muster neu malt, sondern neue Orte der Begegnung mit den Menschen gestaltet.

Kompetenzen in den Kirchenkreisverwaltungen bündeln

Die wichtigste Entscheidung des Tages war eigentlich nur eine Absichtserklärung. Auf der im Jahreslauf frühesten Synode der Kirchenkreise Vlotho, Herford, Lübbecke und Minden wurden die Weichen gestellt und ein Signal gesetzt für die Entwicklung einer gemeinsamen Verwaltung für alle vier Kirchenkreise. Zusammen umfassen sie die nördliche Hälfte der alten Landschaft Minden-Ravensberg oder, prosaischer, den Gestaltungsraum VIII im Gefüge der Evangelischen Kirche von Westfalen, und viele Arbeiten geschehen bereits in konstruktiver Zusammenarbeit. Nicht zuletzt besteht demnächst eine persönliche Verbindung durch Meike Elmer, die als neue gemeinsame Verwaltungsleiterin in den Kreiskirchenämtern Herford und Bad Oeynhausen der Synode vorgestellt wurde.

Doch noch bestehen in enger Nachbarschaft vier Verwaltungen mit parallelen Strukturen. Um den Vereinigungsprozess dieser Verwaltungen so sanft wie möglich zu gestalten, soll er schrittweise geschehen, und zunächst werden an den bestehenden Kreiskirchenämtern Schwerpunktbereiche gebildet. Doppelungen werden vermieden, Synergien gehoben und die Arbeit nicht nur effizienter, sondern durch die Bildung von Kompetenzzentren auch zukunftsfähiger. Die Angleichung der Abläufe und Infrastruktur wird von regelmäßigen Checkups und einer eigens einzustellenden Projektleitung begleitet.

Mit nur drei Enthaltungen und ohne Gegenstimmen wurde die richtungsweisende Entscheidung für die Zukunft der kirchlichen Verwaltung in Ostwestfalen beschlossen.

Superintendentin Dorothea Goudefroy hatte viel zu den Entwicklungen im Kirchenkreis zu berichten

Vlothos Bürgermeister Rocco Wilken begrüßte die Synode in seiner Wahlheimat Exter

Die Synode gab den Teilnehmern genug Gelegenheit für Fragen und Austausch

Christopher Deppe sprach mit Pfarrerin Katharina Kenter-Töns und Ulrike Weißflog über Gemeindevereinigungen

Jüngere, ältere oder vielfältigere Leitungsgremien?

In den Presbyterien und anderen Leitungsgremien der westfälischen Landeskirche ist nach derzeitigem Recht mit dem 75. Lebensjahr das höchste Wahlalter erreicht. Angesichts der demographischen Entwicklung und der steigenden Lebenserwartung empfiehlt die Landeskirche, diese Obergrenze aufzuheben, ein Vorschlag, der auf der Kreissynode zur Diskussion stand.

In ihrem Entscheid gegen diese Öffnung allein in die eine Richtung zeigte die Synode jedoch, dass sie sich eine diverse Zusammensetzung der Leitungsgremien und eine Verjüngung der Presbyterien wünscht, wie sie das Jugendbeteiligungsgesetz der Landeskirche vorsieht. Dieses befindet sich bereits in der Erprobungsphase.

Sichere Räume für Kinder und Jugendliche schaffen

Der Schutz vor sexualisierter Gewalt ist ein wichtiges Anliegen im Kirchenkreis. Neben den landeskirchlichen Strukturen wie den Ansprechstellen für Opfer von sexualisierter Gewalt liegt die Verantwortung für sichere kirchliche Angebote auch in den Gemeinden und Arbeitsbereichen vor Ort. Katrin Eckelmann, Leiterin des Jugendreferats im Kirchenkreis, bereitete daher mit ihrem Vortrag die anwesenden Vertreter der Gemeinden auf die auf sie zukommende Aufgabe vor: Die Erstellung von Schutzkonzepten.

Schutzkonzepte übersetzen die Leitgedanken des Schutzes vor sexualisierter Gewalt für die konkrete Arbeit in der Fläche. Ein zentraler Teil ist dabei die Gefahrenanalyse, mit der die spezifischen Risiken vor Ort identifiziert und praktikable Lösungen gefunden werden können. Seien es Regeln zur Gruppenzusammenstellung, zum Umgang mit Foto- und Videomaterial oder auch nur die bewusste Gestaltung der Räumlichkeiten: Mit den neuen Schutzkonzepten lassen sich sichere Räume für Kinder und Jugendliche gestalten, um kirchliche Angebote für alle Teilnehmenden unbeschwert und offen nutzbar zu machen.

Podiumsgespräch zu Gemeindevereinigungen

Seit der letzten Zusammenkunft der Kreissynode hat sich im Kirchenkreis viel getan: Diesseits und jenseits der Weser haben sich je vier Gemeinden vereinigt. Zum Jahreswechsel entstanden so die neuen Kirchengemeinden Porta Westfalica-Süd und Emmaus. Anstatt sich von der demographischen Entwicklung und Sachzwängen treiben zu lassen, folgten die Verantwortlichen der Gemeinden dem Rat des Kirchenkreisassessors Wolfgang Edler, der den Prozess in Porta Westfalica mit großem persönlichen Einsatz begleitet hat: „Wer will, dass Kirche bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt.“ Auf der Kreissynode konnten die Teilnehmer mehr über ihre Beweggründe und Erfahrungen hören.

Christopher Deppe, Öffentlichkeitsreferent des Kirchenkreises und beliebter Radiomoderator, hatte die Vorsitzenden der Bevollmächtigtenausschüsse in den beiden neuen Gemeinden, Pfarrerin Katharina Kenter-Töns und Ulrike Weißflog, zu einem Podiumsgespräch geladen. Gekonnt und mit entwaffnender Direktheit befragte er seine Podiumsgäste und erhielt ebenso offene Antworten:  Offenheit in den Leitungsgremien sei ebenso nötig wie Rückgrat bei der Kommunikation ihrer Entscheidungen. Dass Humor dabei nicht zu kurz kommen kann, machten beide Sprecherinnen deutlich, wie nicht zuletzt Ulrike Weißflog in ihrer Erzählung über ihren unerwarteten Aufstieg zur „Großsiegelbewahrerin“ der Emmaus-Kirchengemeinde zeigte.

Die Erfahrungen in beiden Bevollmächtigtenausschüssen zeigten auch, dass viele Sorgen unbegründet waren: Die Ehrenamtlichen blieben engagiert, der Charakter der alten Gemeinden bleibe in den neuen Strukturen erhalten, die Kirche bleibe im Dorf. Viel Arbeit ist dennoch noch zu tun. In Porta Westfalica hat jüngst ein Schnatgang durch die Gemeinde einen Überblick über die Vielfalt und Größe des Gebäudebestands gebracht, der jetzt neu gedacht werden kann; in Bad Oeynhausen wird im Mai ein „Emmaus-Forum“ veranstaltet, um die verschiedenen Angebote und Gemeindegruppen miteinander bekannt zu machen. „Die Vereinigung selbst war das Einfachste“, waren sich beide Sprecherinnen einig. Katharina Kenter-Töns empfahl Gelassenheit angesichts möglicher Widrigkeiten: „Erst noch“ sei immer dieses oder jenes zu machen. Jedes „Erst noch“ ist ein Stein in der Ackerfurche, sagte sie im Rückgriff auf ihre Predigt, von dem man sich nicht aufhalten lassen sollte, aber den man auch nicht einfach ignorieren kann: „Die Steine gehören auch zum Acker.“

Kreiskirchentag „kannste planen“

Nach Wahlen und einem kurzen Ausflug nach Tansania in Form von Pfarrer Markus Freitags Bericht zur Partnerschaft mit dem Kirchenkreis Tambarare endete der Tag mit einem Ausblick auf das Großereignis des nächsten Jahres: Der Kreiskirchentag 2024, mit dem die Vielfalt im Kirchenkreis gefeiert werden soll. Linda Stucke-Troks, noch Vikarin in Eidinghausen-Dehme und demnächst Pfarrerin im Probedienst in Gohfeld, stellte die Planung und das unverkennbar ostwestfälische Motto des Kreiskirchentags vor: „Vielfalt - kannste haben.“ Im Juni 2024 erwartet die Besucher bei der Zentralveranstaltung in Bad Oeynhausen ein umfangreiches Programm für Jung und Alt in und um den Kurpark.

Mit diesem Vorgeschmack auf das nächste Jahr endete die Synode, für die meisten Besucher rechtzeitig, bevor der unerwartete Wintereinbruch Gemeindehaus und Autobahnkirche Exter im dichten Schneetreiben verschwinden ließ.