Was geschieht, wenn man eine Kantorei und einen Gospelchor zu einem Kombi-Chor zusammenschmilzt? Und zwar mit einem Repertoire, das sowohl den traditionellen Formen der Messe folgt als auch die dynamische Signatur von zeitgemäßem Jazz trägt?
Das Ergebnis dieses musikalisch-künstlerischen Unikats konnte sich am Sonntagabend (18. Juni) in St. Stephan Vlotho hören lassen – und zwar im besten Wortsinn: Kantorin Līga Auguste hatte monatelang mit ihren Sängerinnen und Sängern von Kantorei und Gospelchor an der Messe von Steve Dobrogosz geübt, bevor sie dieses große Werk vor zahlreichen Besuchern zur Aufführung brachte.
Frenetischen Applaus, Jubelrufe und stehende Ovationen gab es als Zeichen der Begeisterung nach knapp 90 Minuten Konzertgenuss. Die galten auch dem Jazztrio Kordes-Tetzlaff-Gummersbach und dem Streicher-Ensemble Cantabile unter Leitung von Konzertmeister Ulrich Puppe, hatten doch beide Instrumental-Formationen großen Anteil am Gelingen der außergewöhnlichen Kooperation.
„Ite, missa est“ (übersetzt etwa: Gehet, nun ist Aussendung), auf diesen Ausruf geht der Begriff der „Messe“ in der Kirchenmusik zurück. Sie verbindet die lateinischen Texte des Ordinariums in festlicher Vertonung. Der zeitgenössische amerikanische Jazz-Komponist Steve Dobrogosz hat seiner Messe jedoch einen modernen Akzent eingewoben: Leicht und geschwungen, mit groovigem Federstrich lässt er Lobpreis singen und um Vergebung bitten. Eine exzellente Bühne für experimentierfreudige Streicher und einen virtuosen Jazz-Pianisten – beides gab es am Sonntag zu erleben. Olaf Kordes und das Ensemble um Ulrich Puppe ließen Kyrie und Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei gemeinsam mit dem Kombi-Chor ganz neu erleben.
An dem lauschigen Sommerabend erweckten gleich zu Beginn die Solo-Stücke des Trios Kordes-Tetzlaff-Gummersbach in ihrer originellen Farbigkeit den Eindruck, man säße in einem urigen Jazzkeller statt in einer alten Klosterkirche. Doch genau diese ehrwürdigen Mauern boten den idealen Klangraum für ein eigenwilliges, temperamentvollen Piano, das mit dem charmant-seidigen Kontrabass und dem furiosen Saxophon wetteiferte. Rauschender Applaus für das Trio schon nach den ersten Minuten!
Und weiter ging es durch die Messgesänge, mit einem ergreifenden Kyrie oder später einem kraftvollen Credo. Auf dem Dirigentenpult sah man Līga Auguste, wie sie mit präziser Geste die Einsätze aller Beteiligten steuerte, Sänger und Instrumentalisten zu einem beeindruckenden Ganzen zusammenführte. Eine enorme musikalische Intensität wurde da spürbar, nicht zuletzt durch manch dramatische Klangkurve: „Et expecto resurrectionem“ („und ich erwarte die Auferstehung der Toten“) donnerte es vom Chor ins Kirchenschiff – ein ebenso bewegender Moment wie später das hymnische „Hosanna“ im Sanctus. Aller Applaus mehr als verdient!