Neue Perspektiven für Vlotho: Gemeindeversammlung zur Vereinigung der Vlothoer Kirchengemeinden

Erstellt am 13.06.2024

Manche große Veränderung fangen ganz unspektakulär an. Am Dienstag, dem 11. Juni, trafen sich die Menschen aller Vlothoer evangelischen Kirchengemeinden zur gemeinsamen Versammlung, um über ihren Vereinigungsprozess zu sprechen. Um Haushalt und Strukturen ging es dabei und um die Gebäude der Gemeinden, aber eigentlich entsteht in diesen Versammlungen der Gemeinden nicht weniger als die Zukunft der evangelischen Kirche in Vlotho.

„Wir sind schon lange unterwegs“, sagt Stephan Gimbel, der zusammen mit Pfarrer Christoph Beyer und Pfarrerin Geeske Brinkmann durch die Versammlung führte. Die Region wächst seit vielen Jahren immer enger zusammen. Die Bildung einer pfarramtlichen Verbindung vor zwei Jahren war nur ein Meilenstein auf dem Weg, der jetzt in eine gemeinsame Gemeinde münden soll. Für diese neue Gemeinde mit dem Namen „Evangelische Kirchengemeinde Vlotho“ wird eine neue Gemeindekonzeption entwickelt, über die schon in einer Reihe von Workshops gesprochen wurde.

Immer engere und kreativere Zusammenarbeit

Die Vereinigung ist das Ergebnis einer immer engeren, kreativeren und weniger lokal gebundenen Zusammenarbeit im kirchlichen Leben überhaupt. Aber sie ist auch beeinflusst von äußeren Faktoren, besonders vom demographischen Wandel und seinen Auswirkungen auf die Finanzierung der kirchlichen Arbeit. „Ohne Veränderungen blicken wir einem jährlichen Defizit von fast einer halben Millionen Euro entgegen“, mahnt Stephan Gimbel an.

Beim Personal sind nicht mehr viele Einsparungen möglich. Aus den nach dem Ausscheiden von Winfried Reuter verbliebenen drei Pfarrstellen werden langfristig nur zwei erhalten werden. Verstärkt werden sie durch eine Gemeindepädagogin im interprofessionellen Pfarrteam. Dazu kommen die Mitarbeitenden, die das Gemeindeleben am Laufen halten, und die aktive Kirchenmusik, die mit engagierten Musikern wie Kantorin Līga Auguste der Region Vlotho eine überproportional bedeutende Rolle in der kulturellen Landschaft gegeben hat.

Ein gemeinsamer Bekenntnisstand, ein gemeinsames Büro

Es stellt sich auch die Bekenntnisfrage: Vlotho ist im Kirchenkreis Vlotho ein besonderer Fall. Zu den fünf Gemeinden mit lutherischem Bekenntnis gesellt sich seit bald 300 Jahren eine kleine, aber aktive reformierte Gemeinde in St. Johannis. Aus diesen soll eine Gemeinde im unierten Bekenntnisstand entstehen, auch „um das reformierte Erbe in Vlotho in Zukunft erkennbar zu machen“, wie Superintendentin Dorothea Goudefroy bemerkte.

Natürlich muss für die neue gemeinsame Gemeinde auch ein Sitz gefunden werden. In diesem Sommer entsteht ein gemeinsames Gemeindebüro, dass zunächst im Alten Pfarrhaus an der St. Stephan Kirche untergebracht ist. In diesen Tagen werden in den ersten Büros die Möbel gepackt und an den neuen Standort gebracht. Dafür wurden Akten sortiert und manche schwergewichtige Stahlschränke aus ihren angestammten Plätzen gewuchtet. Was hier im Kleinen geschieht, muss auch im Großen geschehen: Es kommt Bewegung in die Gebäude der Gemeinde.

Die Entscheidung: Menschen statt Steine

Mit sechs Kirchen, sechs Gemeindehäusern und einem Gemeindezentrum bei knapp 10,000 Gemeindegliedern ist die Region überreich mit Gebäuden ausgestattet. Die Fläche ist dabei ein Faktor, denn vom Weserhafen bis hoch in die Dörfer rund um die Vlothoer Altstadt zieht sich die Region, einen Abstecher über die Weser inklusive. Die Wegstrecken sind dennoch machbar: Vom Hollenhagen bis in die Altstadt sind es zum Beispiel 14 Minuten Fahrtzeit. „Wir haben es ausgemessen und ausprobiert“, erklärt Stephan Gimbel. Doch er und seine Mitstreitenden wissen, dass nicht Straßenkilometer, sondern Fragen von Zugehörigkeit, Identifikation oder Heimat hier entscheidend sind.

Trotzdem soll die Gemeinde offen und ehrlich über die möglichen Perspektiven sprechen. Die Gemeindekonzeption gibt mit ihrem Fokus auf die Menschen in der Kirche die Richtung vor: 70% der verfügbaren Mittel sollen für die engagierten Haupt- und Ehrenamtlichen aufgewendet werden und nur 20% auf Gebäude. Einige Gebäude sind sanierungsbedürftig und meist viel zu groß für den Bedarf vor Ort. „Irgendwann müssen wir der Sache ins Auge blicken: Im Jahr 2026 würde das bedeuten, dass wir 157 Tausend Euro in unsere Gebäude investieren können. Das ist immer noch eine unvorstellbare Summe, aber es ist viel zu wenig für alle Gebäude“, erklärt Stephan Gimbel.

Nur noch drei Gebäude in der neuen Gemeinde?

Die Konsequenz: Langfristig werden nur noch drei Gebäude für die Gemeinde tragbar sein. In welcher Konstellation welche Gebäude weiterentwickelt werden sollen: Darüber gilt es zu sprechen. Jede Option kann gute Argumente ins Feld führen: Uffeln als jüngstes Zentrum in einem wachsenden Stadtteil, Valdorf als geschichtsträchtiger Ort der ersten reformatorischen Predigt in der Region, St. Stephan als gefühltes und räumliches Zentrum und kultureller Leuchtturm der Vlothoer Gemeinden, Exter, Bonneberg, Wehrendorf oder auch St. Johannis als architektonisches Kleinod.

„Wir haben bewusst keine Empfehlungen ausgesprochen“, sagt Gimbel als Vertreter der Vorbereitungsgruppe. „Die Entscheidung soll mit und in unser Gemeinde entwickelt werden. Wir stellen sogar noch einmal ganz offen die Gretchenfrage: Stimmen wir überhaupt einer Gemeindevereinigung zu? Aber wir sagen ganz klar: Es muss etwas geschehen.“

Stephan Gimbel stellte die Perspektiven für die Region Vlotho dar

150 Teilnehmer bei der ersten gemeinsamen Gemeindeversammlung