„NRW bleib sozial!“: Unter diesem Motto hat die Freie Wohlfahrtspflege NRW den 19. Oktober zum Aktionstag für eine auskömmliche Finanzierung der Kitas im Land ausgerufen. Tausende Mitarbeitende von freien und kirchlichen Trägern, darunter der Kitaverband des Evangelischen Kirchenkreises Vlotho, waren dem Aufruf gefolgt und setzten vor dem Düsseldorfer Landtag ein unübersehbares Zeichen.
5 vor 12: Pünktlich zur symbolträchtigen Uhrzeit hatte sich die Landtagswiese am Rheinufer mit Plakaten und Sprechchören gefüllt. Unter den Protestierenden fanden sich auch hunderte Erzieherinnen und Erzieher aus den Kindertageseinrichtungen in Ostwestfalen und Vertreter der Trägerverbände wie Tanja Moßwinkel und Michael Witt vom Kitaverband im Evangelischen Kirchenkreis Vlotho.
Die nordrhein-westfälischen Kindertageseinrichtungen leiden seit Jahren an einer immer schlimmer werdenden finanziellen Schieflage. Wie andere Träger der kirchlichen und freien Wohlfahrtspflege hatten sich die Trägerverbände und -verbünde in den Kirchenkreisen Herford, Lübbecke, Minden und Vlotho mit der Hoffnung um Abhilfe an die Landespolitik gewandt. Ihr Engagement und der Protest anderer Träger aus dem ganzen Land kann auch Teilerfolge verbuchen: Jüngst hat die Landesregierung eine Überbrückungshilfe von 100 Millionen Euro für die Kindertageseinrichtungen im Land beschlossen.
„Die Überbrückungshilfe und besonders die angekündigte Aufstockung der Kindpauschalen sind ein wichtiges Signal, dass die Landesregierung die Lage in den Einrichtungen erkannt hat“, sagt Tanja Moßwinkel, Geschäftsführerin des Kitaverbandes im Kirchenkreis Vlotho. „Wir müssen dennoch sagen, dass das Problem damit nur in die Zukunft verlagert wird. Die nachhaltig auskömmliche Finanzierung der Kitaarbeit kann nur mit einer Änderung der Berechnungsmechanismen erreicht werden. Wir brauchen die schon lange versprochene Novellierung des KiBiz eher heute als morgen.“
Viele Hoffnungen waren in das 2020 angepasste Kinderbildungsgesetz (KiBiZ) gelegt worden. Doch es ist in den Worten von Carsten Schöneberg, Vertreter des Kita-Trägerverbunds im Kirchenkreis Lübbecke und inoffizieller Sprecher der Kitaträger in den vier Kirchenkreisen, ein „Gesetz mit Konstruktionsfehler“. Die Kindpauschalen stellen, neben dem auch immer kontrovers diskutierten Trägeranteil, den Großteil der Finanzierung dar. Sie werden zwar nach echten Referenzwerten berechnet, doch diese Fortschreibung orientiert sich an Zahlen aus dem Vorjahr.
Bis zu 20 Monate läuft die Anpassung daher der tatsächlichen Preisentwicklung hinterher. Ereignisse wie der Ukrainekrieg oder die Energiekrise haben in dieser Berechnung noch nicht stattgefunden, während die Einrichtungen und ihre Träger die Inflation, Energiepreisexplosion und Kostensteigerungen in Millionenhöhe am eigenen Leib spüren. Selbst eigentlich positive Nachrichten wie die neuen Tarifabschlüsse für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst drücken in dieser Situation auf die Stimmung in den Einrichtungen, da die Träger in Vorleistung gehen müssen, um die Mehrkosten aufzufangen. „Das geht an die Substanz, in jedem Wortsinn“, sagt Tanja Moßwinkel.
„Wir stehen am Limit und müssen daher unsere Arbeit mit Geldern sichern, die wir lieber in die Entwicklung unserer Angebote investieren würden“, sagt Fachberater Michael Witt. „Wir wollen, dass unsere Kinder eine sichere, attraktive und förderliche Umgebung mit unseren gut ausgebildeten und hochmotivierten Mitarbeitenden haben. Wir wollen ihren Eltern verlässliche Betreuungsangebote bieten, und gleichzeitig unseren Kolleginnen und Kollegen Entwicklungsperspektiven geben und ein Gehalt zahlen, das dem Wert ihrer Arbeit entspricht. Einfacher gesagt: Wir wollen mehr Zeit für die Kinder haben. Stattdessen verwalten wir nur den allgegenwärtigen Mangel.“ Tanja Moßwinkel pflichtet ihm bei: „Wir brauchen keine Trostpflaster, Rettungsschirme oder kurzfristigen Lösungen. Was wir jetzt brauchen, ist ein nachhaltiges und tragfähiges Konzept, das die auskömmliche Finanzierung unserer Arbeit und der ganzen sozialen Landschaft in NRW auf Dauer sichert.“