Gemeinsam Gemeinde: Porta Westfalica schreibt mit neuer Großgemeinde Kirchengeschichte

Erstellt am 12.01.2023

Mit einem Festgottesdienst in Möllbergen feierten die evangelisch-lutherischen Gemeindeglieder im Süden von Porta Westfalica Hochzeit und Geburtstag zugleich: die zum Jahreswechsel vollzogene Vereinigung der vier Altgemeinden und die Geburt der neuen Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Porta Westfalica-Süd. Motiv für den Gottesdienst wie den Vereinigungsprozess insgesamt war dabei das Lied „Vertraut den neuen Wegen“ von Klaus-Peter Hertzsch, in dem es heißt: “Weil Leben heißt, sich regen, weil Leben wandern heißt”.

Die Kirchengemeinden in Porta Westfalica leben und regen sich schon seit über einem Jahrtausend. Stadt und Dorf sind um sie gewachsen, und über die Jahrhunderte war Veränderung die einzige Konstante: Hausberge, manchmal mit, manchmal ohne Lohfeld. Eisbergen, seit genau 750 Jahren als Pfarrei belegt, aber vorher wahrscheinlich zum jetzt schaumburgischen Exten gehörig. Holtrup, im Mittelalter von Holzhausen abgepfarrt, in der Neuzeit wieder mit dem alten Nachbarn vereint. Veltheim, der Hildburglegende nach schon vor der ersten Jahrtausendwende gegründet, oder Möllbergen, erst seit einem Menschenleben mit eigener Kirche. Gemeinden und ihre Grenzen wanderten und wandelten sich. Manche Kirche verschwand gänzlich, manche kleine Kapelle wurde dorfbildprägendes Herz einer Gemeinde. Die Kirchen bleiben, die ehemaligen Gemeinden wurden nun zu vier Seelsorgebezirken in der gemeinsamen Kirchengemeinde Porta Westfalica - Süd.

Mit Vertrauen auf dem Weg

Wie der ungewohnte Name - “wie eine Autobahnausfahrt”, scherzte Superintendentin Dorothea Goudefroy in ihrer Predigt - so lag manchen Besuchern auch die Vereinigung an sich schwer im Magen. Doch beim Festgottesdienst blieb kein Gedanke an die Vorbehalte, an die Scheu, Liebgewonnenes abzugeben, oder an zukünftige Unsicherheiten. Ungefähr 100 Besucher gingen in dem vom gesamten Portaner Pfarrteam, den Pfarrern Joachim Schierbaum, Rainer Schulz, Torsten Willimczik und Pfarrerin Katharina Kenter-Töns, sowie von Lektorin Oberste-Vorth, Kirchenmusiker Jonathan Dräger und der Superintendentin gestalteten Gottesdienst auf eine emotionale Reise in die gemeinsame Zukunft. Superintendentin Goudefroy ließ die Gemeinde in ihrer Predigt ein musikalisches Experiment zu „Vertraut den neuen Wegen“, das passend anlässlich einer Hochzeit gedichtet wurde, versuchen: Zu wie vielen Melodien kann man es singen? Und: Auf wie viele Weisen kann Porta Westfalica in die Zukunft blicken? Klingt es nach „Oh Haupt voll Blut und Wunden“, oder freut man sich „wie Bolle“ auf die Reise? Mit Gottvertrauen und ein wenig wilder Kreativität und mit den vielen ehrenamtlich Engagierten könne Kirche in Porta Westfalica neu entdeckt und gelebt werden. „Zusammen geht eben mehr als allein“, betonte Superintendentin Goudefroy und fügte hinzu: „Die Kirchengemeinde muss sich immer bewusst sein, dass sie nicht für sich selber da sei, sondern als Kirche mit einer frohen Botschaft für die Menschen und für die Welt“. Bei diesen Worten vertrieb nicht nur die Suppe beim anschließenden gemeinsamen Mittagessen etwaiges Magengrummeln.

Pläne für die neue Gemeinde

Der Entschluss zur neuen, gemeinsamen Gemeinde ist in den vier Presbyterien der Altgemeinden entstanden, begleitet von Pfarrer Wolfgang Edler, Assessor des Kirchenkreises, der sich abschließend für die konstruktiven und ergebnisoffenen Beratungen bedankte. Ohne die Vorbehalte blauäugig beiseite zu wischen, wurde dort entschieden: Die Gemeinden wollten nicht nur Mangel verwalten oder einen Flickenteppich aus Teil- und Kurzfristlösungen schaffen, sondern gleich den großen Wurf wagen. Alle Altgemeinden sollten in die neugebildete Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Porta Westfalica-Süd einmünden, um das Heft des Handels in der Hand zu behalten und Kirche aktiv zu gestalten.

Im Festgottesdienst wurde auch der Bevollmächtigten-Ausschuss eingeführt, dessen achtzehn Mitglieder bis zur Kirchenwahl 2024 die Geschicke der neuen Gemeinde leiten werden. Paritätisch aus den bisherigen Gemeinden berufen, werden die neun Frauen und neun Männer, darunter auch das Pfarrteam, sich mit den großen und kleinen Fragen des Gemeindealltags befassen. Das betrifft Themen, für die bereits in den Vorgängerpresbyterien wichtige Richtungsentscheidungen getroffen wurde, so zum für die Gemeindegliederzahlen überdimensionierten Gebäudebestand, aber auch die Weiterentwicklung des Gemeindelebens. Wenig wird sich anfänglich in der Alltagspraxis ändern: Gottesdienste werden weiterhin, jetzt mit neuen Anfangszeiten um 9.30 Uhr oder 11 Uhr, im Wechsel an den gewohnten Orten gefeiert. Auch die Jugendarbeit findet bereits zu großen Teilen gemeinsam statt. Wie Superintendentin Goudefroy betonte, fragen Jugendliche nicht nach den genauen Gemeindegrenzen. “Stattdessen fragen sie: Wo ist etwas los? Wo kann man etwas machen? Und vielleicht kommt am Ende dabei Kirche raus.”

Was das in der Praxis bedeuten mag, konnten die zahlreichen Besucher am Sonntag bereits live erleben: Der nicht mehr nur mit Bläsern aus seinem Pfarrbezirk besetzte Holzhausener Posaunenchor und das Chorprojekt Porta Westfalica - Süd unter der Leitung von Jonathan Dräger begleiteten den Festgottesdienst nicht einfach mit echten Bravourstücken wie der ersten Strophe von „Vertraut den neuen Wegen“, von den Posaunen angestimmt als würde gleich eine New Orleans Streetband um die Ecke kommen, oder dem „Es ist ein Ros’ entsprungen“ des Chors, als überraschend komplexer Kanon gesungen, zeigten sie, wieviel mehr möglich wird, wenn Gaben und Ideen der Menschen über alle alten Grenzen hinweg zusammengebracht werden.

„Achtet ihren Dienst“: Der krankheitsbedingt nicht ganz vollständige Bevollmächtigten-Ausschuss nimmt mit Segen und Dank von Superintendentin Goudefroy und Assessor Wolfgang Edler (1. und 2. v.r.) seine Arbeit auf.