„Eine Chance, etwas zurückzugeben“: Das Ehrenamt bei der TelefonSeelsorge Ostwestfalen

Erstellt am 26.07.2023

Vierzig Kilometer Fahrt von Schaumburg nach Bad Oeynhausen, um über Stunden am Telefon die Sorgen anderer Menschen zu teilen. Warum nimmt man das für eine ehrenamtliche Aufgabe bei der Telefonseelsorge auf sich? Wir haben nachgefragt.

Franz ist nicht sein echter Name. Wie alle seine Kolleginnen und Kollegen nutzt er ein Pseudonym, um Telefonseelsorge und Privatleben zu trennen. Hochgewachsen, weiße Haare und Bart, eine ruhige, sonore Stimme: Franz ist ein angenehmer Gesprächspartner im Alltag, aber sicher auch für die Menschen, die ihn in seinen Schichten anrufen. Und: Franz ist ein Mann. Einer von nur anderthalb Dutzend unter fast 80 Ehrenamtlichen bei der TelefonSeelsorge Ostwestfalen.

Kein Missverhältnis, betont Martin Dohmstreich, stellvertretender Leiter der Einrichtung. Auch unter den Anrufenden seien nur ungefähr ein Drittel männlich. Doch er wünscht sich mehr männliche Kollegen, denn ihre Perspektive kann ein Gewinn sein, kein Hinderungsgrund. „Eine junge Frau rief an, mit Missbrauchserfahrung“, erinnert sich Franz. „Einen Moment zögerte sie, als sie eine männliche Stimme hörte, doch dann merkte ich, dass es ihr immer leichter fiel, sich zu offenbaren.“ Natürlich könnte er Anrufern anbieten, es später zu versuchen, um vom System vielleicht an eine Telefonseelsorgerin vermittelt zu werden. Diese Möglichkeit bestünde auf jeden Fall, auch wenn einmal kein gutes Gespräch zustande kommt. In der Praxis geschehe das aber eigentlich nie, erzählt der erfahrene Telefonseelsorger.

Das Rüstzeug: Offenheit und Lebenserfahrung

Seine Motivation für die Arbeit gleicht der vieler seiner Kolleginnen und Kollegen: Es war der Wunsch, im nahenden Ruhestand die Erfahrung zu teilen, die er über sein Leben gesammelt hat. Aber es war auch „Dankbarkeit für ein glückliches Leben in einem sicheren Land, bei allen Problemen und natürlich auch den Schicksalsschlägen, die ich wie jeder Mensch hatte.“ Franz erwähnt Arbeitslosigkeit und andere Sorgen. Aber gerade dieser Erfahrungsschatz kann wichtiges Rüstzeug sein, um offen auf die Anrufenden einzugehen. Wenn er sich ans Telefon setzt, weiß er nicht, was ihn erwartet. Von Schülern, die in den Ferien die Langeweile plagt, bis zu Menschen, die lebensverändernde Krisen durchmachen, reicht die Spannbreite. Nachdem Pandemie, Krieg und Inflation lange bestimmend waren, kehren wieder die Klassiker zurück: Einsamkeit, Beziehungsprobleme und psychische Erkrankungen.

Vielen der Anrufenden kann Franz helfen, nur durch das Zuhören. Manche brauchen die Gespräche, um ihren Tag zu strukturieren. Franz kann auch auf andere Beratungsmöglichkeiten verweisen, aber Telefonseelsorger sind keine Therapeuten, noch vermitteln sie Therapieplätze. Doch das ist oft auch nicht nötig: „Viele Anrufer wissen eigentlich genau, was sie brauchen. Aber es ist diese Chance, es auszusprechen, die ihnen den Anstoß gibt, sich zum Beispiel in stationäre Therapie zu begeben.“

Und was ist mit den Fällen, denen er nicht helfen kann? Wie geht man damit um, immer wieder Sorgen und Leid zu begegnen? Es sei keine Last, betont Franz. „Die Regelerfahrung ist, dass jedes Gespräch einen Effekt hat, und wenn er noch so klein ist.“

Neue Ausbildungsrunde beginnt

Im Herbst beginnt die neue Ausbildung für angehende Telefonseelsorger und -seelsorgerinnen. Auf sie warten 15 Monate intensiver Vorbereitung, einschließlich Praxisphasen mit erfahrenen Mentoren. In 2,5 Stunden pro Woche lernen sie die Abläufe kennen und lernen, mit den auf sie wartenden Erlebnissen umzugehen. Die Telefonseelsorge wünscht sich von neuen Ehrenamtlichen mindestens zwei Jahre Mitarbeit bei 12 Stunden im Monat, die mit viel Vorlauf geplant werden können. Es ist ein Geben und Nehmen, erklärt Pfarrerin Petra Ottensmeyer, Leiterin der TelefonSeelsorge Ostwestfalen. Wenn die Passung stimmt, dann freuen sie und ihr Team sich auf neue Mitstreiter, deren Dienstpseudonyme bald, wie die Tradition es verlangt, auf eigenen Tassen in der gemütlichen Küche der Einrichtung prangen.

Franz arbeitet seit acht Jahren bei der Telefonseelsorge und will dabeibleiben „solange ich noch die weite Fahrt hinkriege“, wie er offen zugibt. Eine nicht zu unterschätzende Selbstverpflichtung, doch wenn Franz nach einer Schicht am Telefon das Haus verlässt und sich heimwärts nach Schaumburg aufmacht, ist er glücklich mit seinem Entscheid für die Telefonseelsorge: „Ich bin noch nie unzufrieden zurückgefahren.“

Mehr Informationen und Bewerbungsmöglichkeiten finden sich auf der Website der TelefonSeelsorge Ostwestfalen.

Die Stimme am anderen Ende der Leitung: Franz bei der Arbeit

In der Küche reihen sich die Tassen der Ehrenamtlichen

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