Die Kantorei darf wieder singen: Dritte musikalische Vesper in St. Stephan wurde diesmal vom Kirchenchor bereichert

Erstellt am 11.04.2022

von Gabriela Peschke

Das besondere Format der musikalischen Abendgottesdienste in Vlotho hat auch am vergangenen Samstag wieder zahlreiche Besucher angezogen. „Wir haben bisher viele positive Rückmeldungen erhalten, die Vesper wird sehr gut angenommen“, berichtete Pfarrerin Christine Höke. In einer freien Zusammenstellung aus Gebeten und literarischen Texten einerseits und musikalischen Einlagen auf der anderen Seite führte die nunmehr dritte musikalische Vesper die Anwesenden diesmal gedanklich auf die Karwoche hin. Dabei fühlte sich dieses strenge Format, eigentlich das klassische Stundengebet am Abend in der römisch-christlichen Liturgie, besonders stimmig an in den alten Mauern der ehemaligen Zisterzienser-Klosterkirche, die heute St. Stephan heißt.

Die gut zwanzig Mitglieder umfassende Kantorei, „der harte Kern“, wie Kantorin Liga Auguste es bezeichnete, eröffnete zunächst mit einer Vertonung aus dem Bußpsalm, der anschließend von Pfarrerin Christine Höhe und der Gemeinde im Wechsel gesprochen wurde. „Wir freuen uns sehr, dass wir jetzt wieder singen dürfen. Dies ist heute der erste Auftritt der Kantorei während der Corona-Pandemie“, sagte Leiterin Liga Auguste im Vorgespräch. Die Psalmlesungen, fester Bestandteil des Vesper-Rituals, gaben dem Abendgottesdienst dabei ebenso eine besondere Note wie die Seligpreisungen aus der Bergpredigt und die kleinen literarischen Sequenzen, die von Christine Höke zwischen die musikalischen Beiträge eingestreut wurden.

Fotos: Dr. Claus Sassenberg

Da ging es zunächst thematisch um das Bedauern: Was der Mensch verpasst, was er bereut und wo er irrt. Davon erzählten „Das Lied von der Anderwelt“ des Schriftstellers Michael Ende aber auch Meister Eckharts Worte „Vor der Tür des Herzens“ oder eine chinesische Parabel über ein Fest, das nicht stattfinden konnte, weil jeder der Gäste statt des gebotenen Weins nur Wasser gebracht hatte – und somit nicht nur sich selbst um Fest und Freude betrogen hatte, sondern die gesamte Gemeinschaft.

Mit dem Lied „Holz auf Jesu Schulter“ aus dem evangelischen Gesangbuch stimmte die Kantorei dann jedoch auf die Hoffnungszeichen der Passion ein, nachdem die Zuhörer zuvor die Lesung aus dem Johannes-Evangelium über den Einzug nach Jerusalem gehört hatten. Vom Holz zum Baum: „Einmal werden die Bäume die Lehrer sein“, zitierte Christine Höke die Theologin Dorothee Sölle und im Anschluss die Seligpreisung der Sanftmütigen. In diese friedvolle Stimmung hinein sangen Liga Auguste und Torsten Willimczik nun in feierlichem Wechsel das Magnificat, den Lobgesang Mariens, der ebenfalls ein fester Bestandteil der liturgischen Vesper ist.

„Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht“, heißt es in Lothar Zenettis „Verheißung“. Christine Höke stellte diesen Impuls über das Gottvertrauen dem Chorsatz von John Rutter voran, der unter dem Titel „ A Clare Benediction“ den gnädig-gütigen Gott, den starken Beschützer preist. Der Komponist hatte diese Kurzhymne zu Ehren des Clare College in Cambridge geschrieben. „Ein wunderbares Stück“, wie Kantorin Liga Auguste betonte, die selbst dort gewesen war.

Vor dem Ausklang des Gottesdienstes mit der Seligpreisung der Friedfertigen, den Fürbitten und dem Abendsegen beschenkte Pfarrerin Christine Höke die Gemeinde noch mit einer Kurzgeschichte der skandinavischen Autorin Astrid Lindgren unter dem Titel „Du weißt nicht, was Dich erwartet, mein Kind?“. Darin spricht sie zu ihrem kleinen Sohn von einer Welt, in der zu leben es sich lohnt: mit Märchen und Liedern, mit Bäumen, Sternen, Seen und Wäldern. „Die Erde ist ein guter Ort, das Leben ist ein Geschenk“, heißt es darin. In diesem Gedanken sang die Gemeinde anschließend gemeinsam mit der Kantorei das Friedenslied „Dona nobis pacem“.

Liga Auguste begleitete die Zuhörer beim Ausklang des Gottesdienstes ein zweites Mal auf der Orgel, nachdem sie mit einem Choralvorspiel von Georg Böhm eröffnet hatte. Mit „Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen“ entließ sie die Besucher in den Samstagabend.

Foto: Gabriela Peschke

Foto: Dr. Claus Sassenberg

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