Das letzte Abendmahl war weder ruhig noch besinnlich: Laut und eng war es sicher, bei Paschalamm und Wein im Cenaculum in Jerusalem. Die Stimmung erst heiter, doch dann kündigt Jesus seinen Verrat und Verhaftung an, und Verwirrung, Sorgen und Misstrauen machen sich breit. Johannes Beer, Pfarrer an der Münsterkirche in Herford, geht diesem Moment in einer besonderen Ausstellung in der Auferstehungskirche am Kurpark nach. Er hat die Ausstellung mit 64 Werken aus Gemeinde- und Privatbesitz erstmals 2019 in Herford gezeigt und jetzt in die Kurstadt gebracht. Pfarrerin Theodora Beer gestaltete den Gottesdienst zur Vernissage, musikalisch meisterhaft von Kreiskantor József Opicz an den Tasten und Katharina Ehlenbröker-Tönnies an der Querflöte begleitet. Die Ausstellung ist noch bis zum 16. April in der Auferstehungskirche zu sehen.
Fast fünf Jahrhunderte trennen das älteste und das jüngste ausgestellte Werk: Lucas van Leydens Abendmahls-Stich aus der Passionsreihe, hier in Marten Peeters Zweitdruck der 1530er Jahre, trifft auf äthiopische Steingussarbeiten, Makonde-Schnitzereien des 20. Jahrhunderts oder Ernst Fuchs phantastisches Farbspektakel von 2015.
Diese Reise durch die Jahrhunderte und Weltgegenden erlaubt einen Überblick über die Rezeption des Abendmahls in der christlichen Kunst. Es ist eines der bekanntesten Motive der Kunstgeschichte: alle Jünger um Jesus geschart, aufgereiht auf einer Tischseite. Diese Guckkasten-Aufstellung, spätestens seit Leonardo da Vinci zur Abendmahlsdarstellung schlechthin geworden und tausendmal persifliert, dominiert auch hier wieder in Dutzenden Variationen. Selbst die skulpturalen Arbeiten, eigentlich nicht von den perspektivischen Beschränkungen von Tafel oder Leinwand eingeengt, halten sich oft an dieses ikonographische Programm.
Andere Werke setzen sich kritisch mit dem Typus auseinander: Ben Willikens faszinierende Drucke entfernen die Protagonisten und nehmen als auf den ersten Blick rein architektonische Studien Bezug zu den linearperspektivischen Experimenten der italienischen Renaissance. Wie in der japanischen Ma-Ästhetik wird das Abwesende dabei zum eigentlichen Inhalt, und der Betrachter vervollständigt die Szenen vor dem inneren Auge. Doch manch ein mit abendländischen Bildklischees aufgewachsener Betrachter setzt sich nicht selbst, wie der Kurator Johannes Beer empfiehlt, mit an den Tisch, sondern platziert nur wieder die üblichen Figuren, die in dieser routinierten Wiederholung zur Staffage werden können.
Wieviel einladender wirkt da der allzumenschliche Trubel in den weniger hieratisch arrangierten Werken, wie den von Johannes Beer geschickt kontrastierten Kneipenszenen von Lucas van Leyden und Gunnar Berndt: Der Betrachter ist mitten im Geschehen, und es könnte ebenso ein weinseliger Abend 1530 oder 2023 sein wie der heilsgeschichtlich überragende Moment am Vorabend vor Jesu Verhaftung.
Eine szenische Olivenholzschnitzarbeit aus Bethlehem wurde dabei ein heimlicher Favorit der Vernissagebesucher: Man kniet sich herunter zur tief aufgestellten Schnitzerei und taucht ein in die Beziehungen und Unterhaltungen. Die Skulptur lässt dem Betrachter Platz am Tisch, doch nur neben Judas, der schon halb von der Gruppe abgewandt ist. Gewollt oder ungewollt nimmt dies mittelalterliche Bildtypen auf, die Judas von den übrigen Jüngern getrennt, aber auf der Seite des Betrachters platzieren. Der ins Geschehen einbezogene Betrachter fragt sich wie seine Tischgenossen: Wer verrät Jesus, wer verleugnet ihn? Wer es auch sei, ausnahmslos allen, auch Judas und auch dem Betrachter, wird das Abendmahl gereicht, wie Pfarrer Johannes Beer in seiner Predigt zum Vernissage-Gottesdienst betonte.
Die Ausstellung “Abendmahl” ist ein weiterer Höhepunkt in der Kulturarbeit von Johannes Beer, der bereits mehrere erfolgreiche Themenausstellungen in Bad Oeynhausen zeigen konnte. Sie ist bis zum 16. April täglich von 9 bis 18 Uhr in der Auferstehungskirche am Kurpark zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Die von Pfarrer Johannes Beer 2019 in Herford konzipierte Ausstellung ist noch bis zum 16. April 2023 in der Auferstehungskirche zu sehen
Das Abendmahl als Zillesche Milieustudie: Gunnar Berndts Monotypie “The Last Supper”, 2018