Auftakt der Lesereihe “Vier Menschen auf dem Weg” in Vlotho: Erwachsenenbildung präsentiert Astrid Lindgren

Erstellt am 05.10.2023

So schnell können zwei Stunden an einem Freitagabend vergehen: Zum Auftakt der Lesereihe “Vier Menschen auf dem Weg” las Erwachsenenbildungs-Referent Frank Meier-Barthel im Gemeindehaus St. Stephan in Vlotho aus Texten der schwedischen Autorin Astrid Lindgren und erzählte biografisch dazu aus ihrem Leben. Es ging um Lindgrens Lebensfreundlichkeit, die stets von der Verzweiflung, der Einsamkeit und dem Bedrückenden wusste. Auch wenn es um die dunklen Stunden ihres Lebens ging, so wurde im Publikum auch immer wieder gelacht, denn Ironie und Trost waren dem Stil Lindgrens auch zu eigen, wenn sie finster in die Welt blickte.

Den Anfang der kommentierten Lesung bildete das Ende von Pippi Langstrumpfs Abenteuern auf Taka-Tuka-Land, erzählt Frank Meier-Barthel: “Die quirlige, lebenslustige Pippi sitzt da einsam und verträumt in ein Kerzenlicht schauend allein am Küchentisch der Villa Kunterbunt. Bei aller Herzenswärme und Lebensfreundlichkeit schwingt in Lindgrens Texten also durchaus auch immer das Bedrückende, Einsame und Melancholische mit”, so der Historiker und Literaturwissenschaftler. Diese Eindrücke wurden auch in weiteren Texten zu den Mägden und Knechten und Armenhäuslern in Lindgrens Heimat Småland deutlich. Aber auch Lindgrens Lebensfreude kam zum Zuge, etwa bei dem Bericht über ein Treffen von Astrid Lindgren mit dem Bilderbuchautor Janosch im Jahr 1993 oder die musikalisch unterlegte Projektion einer kurzen Bildergeschichte über Michel aus Lönneberga.

Nach einer Pause, in der die Zuhörerinnen und Zuhörer bei Wein, Limonade und Wasser miteinander ins Gespräch kommen konnten, ging es im zweiten Teil der kommentierten Lesung um Lebenserinnerungen und Briefe aus Lindgrens Zeit in den 1920er-Jahren. “Sie war mit 18 Jahren unehelich schwanger geworden, was in der ländlichen Region Småland eine Schande war”, fasst Frank Meier-Barthel zusammen. Aber auch Ausschnitte aus Astrid Lindgrens Fanpost kamen am ersten Abend der Lesereihe vor: “Aus den mehr als 75.000 Briefen, die Lindgren von Fans bekommen hatte, wählte ich zwei Beispiele aus einer Art Brieffreundschaft aus, die sich zwischen der Seniorin und der schwedischen Teenagerin Sara ergab. „Das Leben ist nicht so mies wie es scheint“ tröstete Lindgren die von pubertären Nöten geplagte Jugendliche, ein Satz, der schon im ersten Teil auftauchte, in einem Brief an eine Schulfreundin aus dem Jahr 1928”, fasst Frank Meier-Barthel zusammen. Zuletzt las er aus Lindgrens Gedicht „Wäre ich Gott, dann würde ich weinen …“. “Ein so verzweifeltes und bedrückendes Gedichts, das man es kaum für einen Lindgren-Text hält”, so Frank Meier-Barthel. Einige Verse des Gedichts wurden zum Abschluss des Abends mit Bildern aus Ingmar Bergmans düsterem Schwarzweiß-Film „Das siebente Siegel“ kombiniert und musikalisch unterlegt.

Aber nicht nur die Evangelische Erwachsenenbildung im Kirchenkreisverband Herford-Lübbecke-Minden-Vlotho war am Gelingen des ersten Leseabends in Vlotho beteiligt, sondern auch ganz besonders die Ehrenamtlichen aus der Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Stephan Vlotho, die nicht nur im Vorfeld Werbung für die Auftaktveranstaltung, sondern am Abend selbst auch die Bewirtung an der Bar übernommen hatten. “Ganz viele sagten mir hinterher mit erfreuten Gesichtern, dass es ihnen sehr gefallen habe und wir uns im Oktober zu Martin Buber wiedersehen”, freut sich Frank Meier-Barthel. Der nächste Abend der Lesereihe „Vier Menschen auf dem Weg“ findet am 13. Oktober in der Jubilate-Kirche Bonneberg statt. Nah am oft tragischen Leben des großen jüdischen Denkers Martin Buber (1878 – 1965) versucht die Lesung zu entdecken, was seinen Weg zwischen österreich-ungarischem Bürgertum, chassidischer Frömmigkeit und engagierter öffentlicher Intellektualität geprägt hat.

Am 10. November geht es in der Autobahnkirche Exter mit Alexandra David-Néel (1868-1969), der ersten Europäerin, die als tibetanisches Mütterchen verkleidet die verbotene Stadt Lhasa im Himalaya betrat, auf die große Reise in ferne Welten. In ihrem Jahrhundertleben überschritt sie Grenzen nicht nur auf fremden Kontinenten, sondern als eine der Pionierinnen des feministischen Journalismus auch in ihrer französischen Heimat.

Abschließend lädt am 28. November in Valdorf der Bericht „In Nacht und Eis“ zur Nordpolfahrt mit Fridtjof Nansen (1861-1930). Der Nationalheld, Abenteurer und begnadete Erzähler nimmt seine Leser mit auf eine Expedition voller Entbehrungen, Entdeckungen, aber auch skurriler Momente, einschließlich walzertanzender Seebären. Der Eintritt ist an allen Abenden frei.

Foto: Westfalen-Blatt / Heike Pabst

Frank Meier-Barthel präsentierte im Gemeindehaus St. Stephan das Leben von Astrid Lindgren. (Foto: Westfalen-Blatt / Heike Pabst)