Bach meets Lettland: Kantorin Līga Auguste begeistert mit anspruchsvollem Programm zum Abschluss des Orgeltags

Erstellt am 14.06.2021

Draußen auf dem sonnigen Kirchplatz vor St. Stephan treffen sich die Menschen, begrüßen sich freudig, die Kirche füllt sich. Insgesamt sind derzeit gut 60 Sitzplätze zugelassen – an diesem Sonntagabend sind sie fast alle besetzt. Das hat einen guten Grund: Die Organistin Liga Auguste hat mit ihrem Programm „Die Orgel tanzt“ zum Orgeltag der Evangelischen Kirche von Westfalen eine lang aufgeschobene Sehnsucht bedient: das Verlangen nach einem schönen Live-Konzert.

Am ganzen Sonntag gab es im Evangelischen Kirchenkreis Vlotho unterschiedliche Aktionen rund um die Orgel, das Instrument des Jahres. Nach einem Konzert von Sabrina Bock und Anna Ikramova („Musik in Schwarz und Weiß“) in der Eidinghauser Kirche lud Landeskirchenmusikdirektor Harald Sieger interessierte Jugendliche unter dem Motto „Bring deine Musik auf die Orgel“ in die Auferstehungskirche am Kurpark ein. Begrüßt wurden die Gäste von Kreiskantor József Opicz, der auf einer Mini-Orgel auf dem Kirchplatz zeigte, was die Orgel alles kann und sie nicht nur ein Instrument für den Kirchraum ist. In Vlotho-St. Johannis gab Organistin Annegret Jesse ebenfalls Orgelunterricht und Organistin Claudia Krieger spielte in der Valdorfer Kirche nach der Generalüberholung der Orgel „Swing meets Classic“ - Orgelmusik aus verschiedenen Epochen.

Zum Abschluss gab Kantorin Līga Auguste in St. Stephan ein gut 70-minütiges Konzert und verknüpfte anspruchsvolle Musik von Johann Sebastian Bach mit traditioneller lettischer Musik. „Alles Stücke, die ich selbst gern mag und öfter spiele“, verriet Liga Auguste, die von der Empore aus durch das Programm führte. Das Besondere an diesem Konzert: Eine Kamera begleitete sie beim Spiel, und die Projektion war auf einer Großleinwand im Kirchenschiff zu sehen. So kam zum akustischen Genuss auch noch ein Blick auf die Meisterleistung an den Tasten: In virtuosen Sprüngen flogen die Finger der Organistin über die drei Manuale, bisweilen unterbrochen von einem Kameraschwenk auf das Pedalwerk, wo Liga Auguste ebenfalls äußerst professionell unterwegs war.

Der erste Programmteil war ganz dem barocken Großmeister gewidmet: Mit der prunkvollen Fantasie über „Komm, Heiliger Geist“ eröffnete Liga Auguste das Konzert, gefolgt von Präludium und Fuge in D-Dur, das zu Bachs meistgespielten zweisätzigen Stücken gehört. Bereits jetzt bedankte sich das Publikum nach jedem Stück mit einem lang anhaltenden Applaus. Aus Bachs Schübler-Chorälen spielte Liga Auguste anschließend „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ und „Kommst du nun, Jesu, vom Himmel herunter“. Zum Abschluss des sakralen Programmteils beschenkte Liga Auguste ihre Zuhörer mit einem fröhlichen Vorspiel des Kirchenmusikers Stefan M.R. Ulrich, was das Publikum mit dankbarem Applaus honorierte.

Dann wurde es weltlicher. „Lettland ist ein kleines Land, mit vielen kleinen Orgeln. Aber es gibt zwei Ausnahmen: eine große dort, wo ich herkomme, und eine große in Riga“, mit diesen Worten eröffnete Liga Auguste den zweiten Programmteil. Und sie begeisterte sogleich mit einer Toccata eines zeitgenössischen Komponisten, bei der zarte, lyrische Passagen mit stark rhythmischen Bässen verwoben waren. Auch beim folgenden Stück des Landsmanns Aivars Kalejs nahmen die sanft dahinfließenden Tonkaskaden den Zuhörer gefangen und ließen vor dem inneren Auge Bilder von der Schönheit und Weite Lettlands aufziehen. Beinahe folkloristisch mutete der anschließende „Valse mélancholique“ an, der mit seiner melodischen Klarheit und dem schmeichelnden Walzertakt ebenfalls die Herzen der Zuhörer zu erobern wusste.

Mit Jean Alains bewegend-dramatischer Komposition „Litanies“ beendete Liga Auguste den Konzertabend. Das Publikum erhob sich von den Plätzen und würdigte die musikalische Meisterleistung mit minutenlangem Applaus.

Līga Auguste an der Steinmann-Orgel in der St.-Stephans-Kirche.