Orgelkonzert mit besonderen Einblicken

Erstellt am 28.10.2019

St. Stephan Vlotho: Dr. Wieland Meinhold musizierte an der Steinmann-Orgel und erläuterte ihren Aufbau

Die klangliche Kraft der Orgel lässt sie imposant erscheinen“, sagte Dr. Wieland Meinhold und verriet, dass er als Jugendlicher gern alle Register der „Klangmajestät“ zog. Vor seinem Konzert „Eleganter Telemann und Charme aus Frankreich“ erläuterte der Universitätsorganist aus Weimar den interessierten Besuchern auf der Orgelempore den Aufbau und die verschiedenen Klangfarben der Steinmann-Orgel in St. Stephan.

 

Anschaulich und humorvoll erklärte er, wie durch die Windladen, „mit Wind geladene große Kästen“, die Luft einströmt, wenn eine Taste gedrückt wird. „Labialpfeifen heißen so, weil sie ähnlich wie ein Mund mit Lippen geformt sind“, sagte er und ließ eine Zuhörerin testen, was passiert, „wenn man der größten Pfeife kurz den Mund verbietet“, indem man sie vorsichtig zuhält. Da blieb die mit 4,80 Metern längste Pfeife, Prinzipal 16 Fuß genannt, stumm. Er ließ die zahlreichen verschiedenen Register erklingen. „Dabei entspricht der Prinzipal Acht Fuß der männlichen Stimme. Die Oktave Vier ist die weibliche Ergänzung. Beide sind wichtig für den Gemeindegesang“, so der Organist und erzählte, wie er mit dem Major 32 Fuß eine Empore zum Vibrieren brachte. „Stellen Sie sich eine Fähre vor. Die Schallwellen vibrieren wie ein Schiffsmotor. Manches Kathedralenfenster ist so zersprungen“, berichtete er.

 

Während er als Jugendlicher die lauten Register der „Königin der Instrumente“ bevorzugte, schätzt er inzwischen „den Liebreiz der Flöten. Darin steckt der Charakter einer Orgel“, sagte Dr. Wieland Meinhold. „Auch die kleinen Pfeifen sind wichtig, sie geben aparten Glanz, sind nicht so scharf wie die Mixtur.“ Er verglich das Orgelspiel mit dem Dirigenten eines Blasorchesters. Neben den Labialpfeifen, die aus einer Legierung aus Zinn und Blei geformt werden, zeigte er eine holzgedackte Pfeife. „Sie werden meist von außen unsichtbar eingebaut. Durch den Deckel braucht man nicht so hoch zu bauen wie ohne. Das ist angewandte Schwingungslehre“, sagte der Orgelexperte. Während die Orgeltöne zielgerichtet und direkt aus den Pfeifen erklingen, soll der Tremulant, „die Herzrhythmusstörung der Orgel“, wie Wieland Meinhold ihn scherzhaft bezeichnete, „die Herzen öffnen“. Die sprechenden Register der Blechbläser, Lingualstimmen genannt, „geben noch einmal so richtig Kraft, in einer vollen Kirche zu Weihnachten, oder wenn ein Brautpaar mit klopfendem Herzen zur Trauung einzieht“, nannte er Beispiele.

 

„Auf jedes Instrument muss man sich neu einstellen. Während die Vlothoer Orgel leichtgängig ist, braucht man bei großen Orgeln, beispielsweise im Magdeburger Dom, viel Kraft“, erläuterte er. „Ein Organist muss in seiner Registrierung versuchen, die Wünsche des Komponisten auf die Möglichkeiten der jeweiligen Orgel abzustimmen. Er sitzt sozusagen zwischen Baum und Borke. Oft braucht man kleine Tricks bei der Interpretation. Eine schöne Herausforderung“, sagte Dr. Wieland Meinhold. Mit viel Applaus bedankten sich die Gäste für die anschaulichen „Besuch bei der Königin“.

 

Für das Konzert im Anschluss war eine große Leinwand im Kirchraum aufgebaut. So konnten die Besucher beobachten, wie der Organist registrierte, seine Füße über die Pedale und die Finger über die Tasten der drei Manuale tanzen ließ. „Telemann ist Eleganz und Grazilität in der Musik. Den französischen Wohlklang hört man nicht nur in der Sprache, sondern auch in der Musik“, führte Dr. Wieland Meinhold in sein Konzertprogramm ein. Mit dem 'Magnificat Offertoire a-Moll und D-Dur' des französischen Orgelmeisters Jean Francois Dandrieu eröffnete er das Konzert. „Damit konnte ich die Steinmann-Orgel gut testen“, sagte er. Unterschiedliche Klangkombinationen machten das vorher Erläuterte für die Besucher hörbar. So musizierte er von Georg Philipp Telemann zuerst ein verhalten registriertes Vorspiel zum Passionschoral 'Christus, der uns selig macht', anschließend eines zum Osterchoral 'Christ lag in Todesbanden'. „Der Tremulant verspricht Osterjubel“, sagte der Organist. In Registerwechseln und verschiedenen Klangfarben ließ er die Orgel ertönen. Echoeffekte und außergewöhnliche Register spielte er in Telemanns weltlichem Werk 'Soave e scherzando' aus der Ouvertüre Nr. V Es-Dur. Mit Louis James Alfred Lefébure-Wélys 'Grand Sortie Es-Dur', „ein freudiger Kehraus mit allen Registern“, verabschiedete er sich vom Vlothoer Publikum. Nach viel begeistertem Applaus improvisierte er als Zugabe im Bachschen Stil über „Geh aus mein Herz“.

Klangfarben: Organist Dr. Wieland Meinhold erläuterte Aufbau und Register der Orgel in St. Stephan und zeigte eine holzgedackte Pfeife.

Anschaulich: Dr. Wieland Meinhold begeisterte die Zuhörer in St. Stephan mit seinem Konzert und Erläuterungen zur Orgel.