Ex-EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider und seine Frau Anne sprechen in Hausberge über den frühen Tod ihrer Tochter

Erstellt am 01.11.2021

Offene Worte zu einem ernsten Thema fanden Anne und Nikolaus Schneider beim ökumenischen Gesprächsnachmittag in Hausberge. Sie berichteten über ihre ganz persönlichen Erfahrungen zu „Leben und Glauben mit dem Tod eines geliebten Menschen“.

Zwei Jahre lang hatten sie mit ihrer Tochter Meike gekämpft, gebetet und gehofft, dass sie ihre lebensbedrohliche Leukämieerkrankung übersteht. Doch am 3. Februar 2005 starb Meike Schneider im Alter von 22 Jahren. „Der Tod eines geliebten Menschen kann alles in Frage stellen, die Existenz, den Glauben. Wie weit kann mich Glaube tragen und trösten? Oder fühle ich mich von Gott verlassen?“ führte MöWe-Regionalpfarrer Dr. Christian Hohmann ins Thema ein.

„Wir mussten akzeptieren, dass sie nicht mehr lebt. Können wir trotzdem glücklich leben, fragen sich nicht nur verwaiste Eltern. Verlust und Leid gehören zum Leben“, sagte Anne Schneider. „Gottes Liebe kann man nicht an erfüllten Gebetswünschen festmachen. Natürlich bleiben Fragen offen wie: Gott, warum hast du sie nicht geheilt, du hättest es doch gekonnt?“, so Nikolaus Schneider. Beide berichteten von ihren ganz persönlichen Erfahrungen mit der Erkrankung und dem Tod ihrer Tochter und ihren Fragen, was Gottvertrauen und Auferstehungshoffnung für sie in dieser Situation bedeuten. „Krankheit und Sterben sind nicht Strafe oder Prüfung, gerade deshalb empfinden wir es als Zumutung Gottes, dass es nicht schon auf der Erde gerecht zugeht. Ich suche keine allgemeingültigen Antworten. Ich frage lebenslang“, sagte Nikolaus Schneider.

Sie lasen ein Kapitel aus ihrem 2006 erschienenen Buch „Wenn das Leid, das wir tragen, den Weg uns weist“. Darin hat Anne Schneider fiktive Briefe an ihre Tochter geschrieben. Ihr Mann hat die Aussagen theologisch reflektiert. „Über Theologie zu sprechen, ohne über uns selbst zu reden, das geht bei uns nicht“, sagte Anne Schneider. Beide haben Theologie studiert, Anne Schneider arbeitete danach als Religionslehrerin; Dr. h.c. Nikolaus Schneider war von 2003 bis 2013 Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und von 2010 bis 2014 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. „Eine glückliche Erfahrung ist, wenn Hilfe eintrifft, ein Abgrund, wenn Hilfe versagt wird. Beides ist Realität, von der auch biblische Geschichten erzählen. In den Psalmen wird geklagt und gejubelt, werden Freude, Rachegelüste und abgrundtiefe Verzweiflung ausgedrückt. Für Meike war tröstlich, dass auch Jesus Angst hatte. Es gibt kein Gebot 'Du sollst nicht klagen'. Vielmehr soll man an Leid und Freude seiner Mitmenschen teilnehmen“, so Nikolaus Schneider.

Ein großer grauer Stein auf Meikes Grab symbolisiert die Schwere des Leides. In der Mitte ist er gespalten und mit einem blauen Glaskörper gefüllt. „Bei Sonne leuchten verschiedene Blautöne. Das lebendige Himmelslicht durchbricht die Erdenschwere. Der Verlust unserer Tochter bleibt schwer, aber im Vertrauen auf Gottes Lebensmacht, die Todeserfahrungen aufsprengt, soll der Grabstein ein hoffnungsvoller Lebensgesang angesichts des Todes sein“, erklärt Anne Schneider.

Die anschließende Gesprächsrunde bot Gelegenheit zu Fragen und Diskussion. „Männer und Frauen trauern oft anders. Dies hat auch mit Geschlechterrollen zu tun“, so Nikolaus Schneider. „Persönliches Gottvertrauen wächst nicht, wenn man Dogmen und Bekenntnisse liest, sondern wenn man dogmatische Fragen offen lässt“, berichtete Anne Schneider von ihren Erfahrungen als Religionslehrerin. „Menschen, die sehr fromm sind, können sehr unbarmherzig sein. Sie sagen, du hast nicht genug gebetet. Dies ist eine Unverschämtheit und weder hilfreich noch richtig“, sagte Nikolaus Schneider.

Erwachsenenbildungsreferentin Katrin Weber (v.l.), Pfarrerin Katharina Kenter-Töns (Hausberge-Lohfeld), Dr. h.c. Nikolaus Schneider, Anne Schneider, Pfarrer Dr. Christian Hohmann (MöWe-Regionalpfarrer) und Martin Decking (Dekanat Herford-Minden) beim Gesprächsnachmittag in Hausberge.