"Aber es ist doch Passionszeit!" - An(ge)dacht von Superintendentin Dorothea Goudefroy

Erstellt am 18.03.2023

„Aber es ist doch Passionszeit!“, ruft die ältere Dame aus. Gerade hat der Pfarrer alle nach dem Gottesdienst zum Kirchcafé eingeladen. Mit Kaffee und Kuchen. Aber es ist doch… Muss man nicht in der Passionszeit auf Süßes und Alkohol verzichten?

Die Passionszeit (oft auch Fastenzeit genannt) - das sind die sieben Wochen vor Ostern, in denen Christen an den Leidensweg Jesu denken. Die Bibel erzählt davon, dass Jesus nach Jerusalem hinaufgeht, zu der Stadt, in der er sterben wird. Zuerst wird er bejubelt, feiert mit seinen Jüngern das Passahfest, bei dem er das Abendmahl als Erinnerungsmahl einsetzt und Brot und Wein auf seinen Tod hin deutet. In der Nacht betet er im Garten Gethsemane und bittet Gott, nicht sterben zu müssen, dann verrät ihn einer seiner Jünger. Gefangennahme, Verhöre, Spott und Peitschenhiebe folgen und schließlich am Karfreitag die Verurteilung und Hinrichtung am Kreuz.

Schon früh haben Christen gefastet, wenn sie an das Leiden und den Tod Jesu dachten. So empfinden sie das Leiden ein wenig nach und verzichten selber auf (Gaumen-)Freuden, weil Jesus auf sein Leben verzichtet. Für uns.

Wie kann es sein, dass ausgerechnet ein Pfarrer das nicht weiß und nach dem Gottesdienst in der Passionszeit alle zu Kaffee und Kuchen einlädt!? „Das ist schon richtig so“, sage ich der älteren Dame. „Jeder Sonntag ist nämlich ein kleines Osterfest mitten in der Passionszeit. Darum muss man da nicht fasten.“ Sie schaut mich ungläubig an, beschließt dann aber, dass ich es ja wohl wissen muss!

Tatsächlich hat sogar Jesus selbst von seinem Tod in Verbindung mit der Hoffnung auf neues Leben gesprochen. Er sagt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ In diesem Bild liegen Sterben und Leben sehr dicht beieinander. Der Tod Jesu muss sein, aber das „Weizenkorn“ trägt das Leben für viele schon in sich. Die Passion, das Leiden Jesu trägt Ostern schon in sich. Daran erinnert jeder Sonntag. Darum haben die ältere Dame und ich nach dem Gottesdienst mit gutem Gewissen Kuchen gegessen. Er hat uns beiden sehr gut geschmeckt!

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag mit kleiner Osterfreude!

Ihre Dorothea Goudefroy, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Vlotho

Superintendentin Dorothea Goudefroy