Sich Öffnen für das Leben

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Sich Öffnen für das Leben

# Andacht

Sich Öffnen für das Leben

Vom französischen Philosophen Gabriel Marcel stammt der Gedanke: „Hoffnung ist das Gegenteil von Resignation. Sie ist ein innerer Aufbruch, ein Verlassen des Todes und ein Sich-Öffnen für das Leben.“

Dieser Gedanke fiel mir ein, als ich am Ostersonntag Papst Franziskus bei seinem letzten öffentlichen Auftritt gesehen habe. Die schwere Erkrankung der letzten Wochen war in seinem Gesicht abzulesen. Und dennoch wollte er an diesem so bedeutsamen Tag bei seinen Menschen sein, die ihn am Herzen lagen.

Er interpretierte sein Amt in der Aufgabe des Seelsorgers. Bis zuletzt ist er das geblieben, was er immer sein wollte: den Menschen, die der Welt abhandengekommen sind, nahe sein. So wie Gott in Jesus uns Menschen nahegekommen ist. Das ist unsere Hoffnung, die uns offen hält für das Leben.

In diesen Tagen, da Franziskus in die österliche Auferstehungshoffnung hineingestorben ist, richtet sich unser Blick nicht nur zurück auf das Leben eines Hirten, der „mit dem Geruch seiner Schafe“, wie er es formuliert hat, Jesus nachgefolgt ist, sondern auch nach vorne – auf das Geheimnis der Hoffnung, die die Christen zu aller Zeit getragen hat. Und auch, in diesen unruhigen Zeiten, tragen wird.

Gerade an meinem Arbeitsplatz wird mir dies bewusst, wenn die Lebenswirklichkeit mit der „Hoffnungswirklichkeit“ in Berührung kommt, wenn durch Krankheit, Trauer, Enttäuschung und Krieg das Leben verdunkelt, bis in die tiefste Tiefe hinein.

Der 1. Petrusbrief spricht in einer Sprache, die uns den Atem nimmt: „Neu geboren zu einer lebendigen Hoffnung“, so werden wir angesprochen. Das ist die Botschaft, die es gilt, in sich wirken zu lassen. Sie ist keine Vertröstung, keine jenseitige Ausflucht, sondern eine Verheißung mitten im Leben: „Mitten im Tode sind wir vom Leben umfangen.“

Vielleicht hat diese Gewissheit den todkranken Franziskus die Kraft gegeben, seinen letzten seelsorglichen Dienst wahrzunehmen; der Welt und den Menschen den österlichen Segen zu spenden. Und dann vom Balkon herunterkommend bei „seinen“ ihm anvertrauten Menschen zu sein, so wie Jesus es seinen Jüngern befohlen und uns in Erinnerung gerufen hat.

Seit Ostern leben wir diese Hoffnung, dass nicht der Tod die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens ist, sondern das Leben. Wir bekennen den Gekreuzigten als den Auferstandenen, der das Leben dem Tode entrissen hat. In dieser Gewissheit werden wir zu „Neugeborene“, so wie der morgige Sonntag übersetzt heißt.

Franziskus hat diese Hoffnung glaubwürdig gelebt, angesichts der inneren Risse, die zu unserem Leben dazugehören. Sein Dienst an den Menschen, die an den Rändern der Welt zu leben haben, mit seinem unbequemen Ruf nach einer Welt, in der die Sprache der Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und des Friedens noch ihren Platz hat, hat für mich beeindruckend gezeigt, wozu die Osterbotschaft aufruft: der „Hoffnungswirklichkeit“ zu vertrauen.

Die Osterbotschaft ist keine klug ausgedachte Theorie. Die Botschaft vom Auferstandenen will unser täglicher Atem sein. Wir atmen Leben ein. Und wir atmen Leben wieder aus.

Wir sind zur lebendigen Hoffnung ge- und berufen. Nicht irgendwann, sondern heute, nicht irgendwo, sondern hier, in unserem Herzen, in unseren Taten, in unserer Sehnsucht nach Frieden, Gerechtigkeit und Erbarmen untereinander. So nehme ich heute dankbar Abschied von einem Menschen, der den Seelen der Menschen sorgend nachgegangen ist.


Zuerst erschienen im Westfalen-Blatt, 26. April 2025

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