Beeindruckende Verbindung von Wort, Tanz und Stille

Beeindruckende Verbindung von Wort, Tanz und Stille

Beeindruckende Verbindung von Wort, Tanz und Stille

# Kultur

Beeindruckende Verbindung von Wort, Tanz und Stille

Nicht mehr Karfreitag, aber noch nicht Ostersonntag: Dem Karsamstag mit seinen ganzen sperrigen Motiven von Verlust und scheinbarer Gottesferne seinen Platz zu geben, war das Anliegen von Pfarrer i.R. Hartmut Birkelbach. Zusammen mit der ehemaligen Präses der westfälischen Landeskirche und Ratsvorsitzenden der EKD, Pfarrerin Annette Kurschus, hatte der ehemalige Kulturreferent des Ev. Kirchenkreises Vlotho eine besondere stille Andacht in der Auferstehungskirche am Kurpark geleitet. Es wurde für die vielen Anwesenden eine Stunde der ruhigen Einkehr, der Konfrontation mit Verdrängtem, aber auch überraschender künstlerischer Momente. 

Pfarrer i.R. Hartmut Birkelbach begrüßte die zahlreichen Anwesenden, die das Mittelschiff der Auferstehungskirche fast vollständig füllten. Der ehemalige Kulturreferent des Kirchenkreises hatte die außergewöhnliche Andacht zusammen mit Dr. h.c. Annette Kurschus und Linn Kaßner-Dingersen vorbereitet. Ganz ohne Musik, ohne Glockenschlag und klassische Liturgie sollten die Menschen mit der Stille und Leere des Karsamstags konfrontiert werden. 

Den Anfang machte, aus dem Off, der Spoken-Word-Künstler und Poetry-Slammer Marco Michalzik mit einer Aufnahme seines Stücks „Wo bist Du?“, das die Themen der Andacht vorwegnahm: Wo, angesichts von Schmerz und Verlust, ist Gott? 

Unvermittelt und ungewöhnlich begann auch die Tanz-Meditation: Linn Kaßner-Dingersen, Gemeindepädagogin, ausgebildete Tänzerin und vielen Bad Oeynhausenern als Mitgründerin der Zukunftswerkstatt Hive bekannt, tanzte von der Seite in den Altarraum herein. Mit vollem Körpereinsatz, mit flehenden Gesten und ausdrucksstarker Mimik verarbeitete sie in ihrer Performance das Erleben von Verlassenheit, nicht zuletzt aus eigener Verlusterfahrung. Gebannt folgten die Menschen in den Bankreihen den Bewegungen im Altarraum. „Ein sehr berührender Moment“, berichtet Pfarrerin Theodora Beer, „in absoluter Stille, so dass man nur die Tanzgeräusche gehört hat.“ 

Dr.h.c. Annette Kurschus war für die ungewöhnliche Stunde in der Auferstehungskirche aus Bielefeld angereist, wo die ehemalige Präses der Landeskirche nun als Seelsorgerin in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel tätig ist. Als Seelsorgerin hatte Hartmut Birkelbach sie denn auch für die Andacht angesprochen, als jemand, die mit ihren Gedanken sowohl die Glaubensinhalte in ihrer Tiefe auslotet als auch den Menschen direkt erreicht: „anspruchsvoll, aber auch ansprechend“, so Hartmut Birkelbach.

Kaum auszuhalten sei der Moment, in dem Tod und Verlust endgültig scheinen, in der Passionsgeschichte, aber auch im Leben der Menschen, erklärte Annette Kurschus. Wenn geliebte Angehörige ins Grab gelegt werden oder der Stein vor Jesu Grab gerollt wird, wird die Leere und Abwesenheit erstmals wirklich fühlbar: Wo ist Gott jetzt? 

In ihrem „Nach-Denken“, wie Annette Kurschus ihre Andacht in Bad Oeynhausen betitelte, rief sie die Anwesenden auf, sich nicht vor diesem Moment zu verstecken und ihn nicht zu überspringen. Mit dem Verlust sei umzugehen und der „vermisste Gott als Vermisster anzusprechen“. Mit Anklang an Bonhoeffer sei es die Aufgabe für Christen, in der Welt zu leben, als ob es Gott nicht gäbe. Dazu gehöre auch, füreinander einzustehen und für die Menschen die Stimme zu erheben, die keine Stimme mehr haben. 

Ihre Aufforderung, die Erfahrung des Verlusts und das Gefühl der Gottesferne nicht zu überspielen, zeigte die seelsorgerliche und fast therapeutische Bedeutung des Karsamstags, die in der Andacht aufgedeckt wurde: Um mit solchen Erfahrungen umzugehen, müssen sie erst angenommen und nicht verdrängt werden. Ein Team ehrenamtlicher Mitarbeitender der TelefonSeelsorge stand für Seelsorgegespräche nach dem Abschlussgebet bereit.

Die Initiatoren des „Nach-Denkens“ (v.l.): Linn Kaßner-Dingersen, Hartmut Birkelbach und Annette Kurschus



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