
04/08/2025 0 Kommentare
Ziehen Sie ein? Von einer ganz besonderen WG…
Ziehen Sie ein? Von einer ganz besonderen WG…
# Andacht

Ziehen Sie ein? Von einer ganz besonderen WG…
Es ist Sommerzeit. Die Ferne ruft! Freunde kommen zurück und schwärmen von ihren Reisen. Sehnsucht kommt in mir auf. Ach wär es doch schon so weit! Doch: Ich mache Urlaubsvertretung. Und es gibt genug zu tun. Menschen trauern. Menschen feiern. Menschen brauchen einen, der zuhört. Tränen der Freude und des Glücks. Tränen der Trauer. Am Abend setze ich mich müde aufs Sofa. Öffne meine Limo. Wenn schon keine Fernreise!
Der Blick fällt auf das Album, etliche Jahre ist es schon alt, und etwas staubig ist es mittlerweile auch. Ich blättere und bin in Gedanken dort: In der Fremde. Ich habe alles vor Augen, die klapprigen Busfahrten, die leckeren Spezialitäten am Straßenrand von Tiflis. Die Nachrichten der letzten Monate – Proteste gegen den Regierungskurs, Festnahmen von Oppositionspolitikern – noch in weiter Ferne.
Ich schaue mir die Bilder an. Fremde Orte. Eine fremde Sprache und Schrift. Und ich, damals, zu Gast. Zu Gast bei manchem Abendessen, mit frisch gerupftem Huhn dabei. Zu Gast sein. Ich liebe es. Es ist die Einladung, einen Moment lang Teil der Welt des anderen zu sein.
Zurück zu den Tränen der Trauer und des Abschieds. Wir lassen ein Leben vor unseren Augen aufleuchten. Sprechen über Zeiten der Entbehrung, in der fremdbestimmten Ferne. Im Trauergespräch rücken oft lang vergessene Lebensabschnitte nochmal neu in den Mittelpunkt. Hier geht es um die Zeit in der Fremde. Zu Gast sein. Unfreiwillig. Arbeit gegen karges Essen. In der Fremde zu Gast sein, wenn die Fremde die Heimat ist: Das ist ein anderes Gefühl. Ausgeschlossen vom echten Leben.
Ein Christ im 1. Jahrhundert kennt dieses Lebensgefühl. Innerhalb einer Stadt gibt es sie: Zwei Gruppen. Die einen, die galten als Fremdlinge. Migranten und Flüchtlinge im Glauben. Doch der Briefschreiber protestiert. Das kann nicht sein! Unser Glaube zieht keine Zäune auf. Unser Glaube gründet sich auf einen, der den Zaun abgebrochen hat, der dazwischen war. Dieser Mensch, Jesus Christus, der ist unser Friede (Eph 2,14). Ein starkes Bild malt er dort, dieser Paulusschüler. Ich sehe die Zäune in meinem Leben. Abgebrochen? Entfernt? Und setzt er noch ein I-Tüpfelchen drauf: Ihr seid Gottes Hausgenossen! In einem Haus, eine große WG. Keine Unterschiede, keine Chefetage und Abstellkammern fürs Personal. Gottes Liebe macht keinen Unterschied.
Es geht. Miteinander. Ohne Unterschiede. Und dann, dann ist es schon ein bisschen göttlich.
Ich wünsche Ihnen eine gute Sommerzeit!
In der Ferne, oder in der Heimat.
Im letzteren Fall empfehle ich, kramen Sie ein verstaubtes Fotobuch aus der Ecke.
Ich wünsche viel Freude dabei!
Zuerst erschienen im Westfalen-Blatt, 02. August 2025
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