Wunder aufstöbern

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# Andacht

Wunder aufstöbern

Eigentlich wollen wir einen Film gemeinsam gucken. Und dann hakt es – und wir müssen uns erst mal umstellen, dass der Abend anders weitergeht, als wir das gedacht hatten. Um Wunder soll es heute Abend gehen. Und so rege ich an, dass, wer will, doch mal mit überlegen kann, was für ihn, für sie eigentlich ein Wunder ist.

Der Abend wird intensiv – und so lang, wie der Film gedauert hätte. Eine Großmutter erzählt von ihren beiden Enkeln, die als Frühchen zehn Wochen vor dem Termin zur Welt gekommen sind. Erst diese Sorge. Dann diese Hoffnung, diese unglaubliche Freude, als sie über den kritischen Punkt hinaus waren. Heute sind die Jungs ihr längst über den Kopf gewachsen. Wenn sie sie anschaut, dann denkt sie manchmal an diesen Anfang…

Zwei Frauen stellen sich als die SonntagsWanderFrauen vor, ihre dritte fehlt heute. Dass es zu dritt so gut miteinander geht – und dass sie sich gefunden haben, als sie alle drei ihre Männer verloren haben. Dass sie sich aneinander festhalten konnten, als ihr Boden so ins Schwanken geraten war… Und dass der zähe und traurige Sonntag so für sie zu einem lebendigen Fixpunkt in ihrer Woche geworden ist, auf den sie sich freuen. ‚Vielleicht ist das ja nicht so spektakulär‘, meint eine. ‚Aber für uns ist das ein Wunder.‘

Und ich denke an Jesus, der Wunder nicht als ZauberKunststückchen geübt hat. Dass Gott ganz nah ist, das sollten die spüren, die das Wunder erfahren. Der Himmel berührt die Erde. In diesem Moment. Und das Wunder wirkt in Beziehungen hinein. Erst mal zwischen Jesus und diesem Menschen. ‚Was willst du, das ich dir tue?‘ Diese Frage macht den Unterschied. Damit ist der Mensch mit seiner Sehnsucht der Anfang. Und das Ziel? Anders weiterleben. Befreiung erleben. Segen und Verbundenheit.

Wir sind uns einig. Wunder, Segen und Verbundenheit umarmen einander. Sie lassen sich, wenn wir von unseren WunderBerührungen erzählen, nicht voneinander lösen. Wie die Teerose, die sich im Februar nach dem Tod des Ehemanns zum Blühen entschließt – und seine Frau in ihr seine Liebe spürt.

Das, was uns den Weg zum WunderWundern versperrt, ist wohl die Selbstverständlichkeit, die es sich in unserem Denken und Fühlen bequem gemacht hat. Wie herzöffnend als Kontrapunkt die Worte von Hilde Domin:

Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise wie einem Vogel
die Hand hinhalten
Ganz herzlich verbunden!


Zuerst erschienen in der Neuen Westfälischen, 9. August 2025

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