
16/09/2025 0 Kommentare
Oscarreife Leistung
Oscarreife Leistung
# Kirchenmusik

Oscarreife Leistung
„Tam tam, tam tam, taaa tamtam“: Mit einer a-capella-Version der berühmten 20th Century Fox Fanfare begann ein cineastisch-musikalischer Abend in St. Stephan, der Besucher aus der ganzen Gegend nach Vlotho gelockt hatte. Auf das Publikum in Vlothos randvoll besetzter Stadtkirche wartete ein abendfüllendes Filmmusik-Spektakel der Hollywood-Klasse, abgeliefert von den Saxophon-Matadoren des Quintessence Saxophone Quintets.
Das Quintessence Saxophone Quintet stammt im Kern aus Ostwestfalen-Lippe, aber es glänzt auf den Bühnen auf der ganzen Welt. Die fünf Saxophonisten können auf über 30 Jahre Bandgeschichte und ein gutes Dutzend Erfolgsalben zurückblicken, in denen sie ihren ganz eigenen Stil entwickelt haben: Energiegeladenes und technisch anspruchsvolles Spiel, gepaart mit einem emotionalen Touch und einer guten Prise Humor.

Auch in Vlotho trat Uli Lettermann als Bandleader immer wieder in die Interaktion mit dem Publikum, mit Ironie, Showmaster-artiger Präsenz und spürbarer Begeisterung für die Musik. Wie jeder Griff auf den Saxophonklappen und jeder Schritt der manchmal ausgefeilten Choreographien saß auch jede Pointe. Überfordert zeigte er sich allein von der ungewöhnlichen Architektur der Doppelkirche. Doch auch den, nach seiner Aussage, „Alptraum für Symmetriker“ bezwangen Quintessence mit Bravour und sorgten dafür, dass ihre Choreographien das vollbesetzte Südschiff ebenso bedienten wie das Publikum auf den restlos ausverkauften Bänken vor dem Altarraum.

Jedem Mitglied von Quintessence wurde seine Zeit im Rampenlicht gegeben: dem Youngster Jonas Buschsieweke mit seinem akkuraten Spiel am Altsaxophon ebenso wie den beiden Tenor-Saxophonisten Roland Danyi und Thorsten Floth, die oft im Wechsel oder gemeinsam die Bandbreite des Instruments in wilden Tonfolgen bis aus Letzte ausreizten. Stimmliche und stimmungsmäßige Vielfalt war Programm: Anatole Gomersall mit dem mächtigen Baritonsaxophon in seinen - mit dem programmatischen Tattoo „Jazz Funk“ verzierten - Händen brachte eine Nebelhorn-artige Wucht und Gravitas, agierte aber auch als Zielscheibe und Reizobjekt für Lettermanns humoristische Zwischenrufe.
Die Chemie zwischen den beiden und den anderen Saxophonisten war durchweg spürbar. Quintessence harmonieren, nicht nur im Zusammenspiel, sondern auch in ihren immer wechselnden Formationen auf der Bühne: manchmal als eingeschworene Runde, die den jeweiligen Vorspieler zu neuen Höhen treibt, manchmal als Marschkapelle, die ins Publikum hinausgreift.


Musikalisch spannte das in zwei Teile gegliederte Konzert den großen Bogen auf. Von den zwei unerwartet meistgenutzten Filmkomponisten, Mozart und Bach, bis zu üblichen Verdächtigen wie Morricone und John Williams reichten die Werke, aber nie einfach nachgespielt, sondern immer als eindeutige Quintessence-Werke. Da steigert sich Mozarts Kleine Nachtmusik in einen tanzbaren Rhythmus, während weniger bekannte Stücke wie die Titelmelodie von Cowboy Bebop den uneingeweihten Zuhörer überforderte - Lettermann: „Die schrägen Töne gehören dazu“ - aber die Fans der zugehörigen Anime-Serie begeisterte. John Williams war gleich zweimal vertreten, zuerst mit seiner Indiana-Jones-Musik, mit „Indiana Jonas“ Buschsieweke als Solist. Ramin Djawadis eigentlich Cello-getriebene Titelmelodie zu Game of Thrones landete danach irgendwo zwischen stampfend-mechanisch und gefühlvoll-melancholisch: Viel Arbeit für die fünf Musiker, die sich die Pause zwischen den beiden Sätzen klar verdient hatten.
Bachs gewaltige Toccata und Fuge d-Moll (BWV 565) aus dem zweiten Teil hatte 1941 eine Verfilmung der „Jekyll and Hyde“-Geschichte untermalt, also mussten Quintessence ihre Definition von Filmmusik nur minimal dehnen, um das barocke Orgelmeisterwerk in die „Cinematic Suite“ einzubauen und sowohl die Fähigkeit ihrer Instrumente als auch ihr eigenes Können vorzuführen. „Gabriel’s Oboe“, Ennio Morricones Hit aus dem Film „The Mission“, entlockte dem Sopransaxophon noch das letzte Quäntchen lyrische Sanftheit und vielen im Publikum Gänsehaut. Zum Abschluss wartete dann das Muss-Stück des Abends, eine Revue von John Williams weltbekannten „Star Wars“-Melodien als szenisch inszeniertes Medley: Rücken an Rücken standen hier die helle und dunkle Seite der Macht und wechselten zwischen dem martialischen „Imperial March“, dem elegischen „Force“-Motiv und der unverkennbaren Titelmelodie vor dem furiosen Finale des Abends.
Quintessence bringen die Stücke des Abends demnächst ins Studio für das neue Album „A Cinematic Suite“. Das Publikum in St. Stephan hat den Vorgeschmack hierauf mit fast nicht endendem Applaus angenommenen.
Kommentare