12/12/2025 0 Kommentare
Kitas unter Druck
Kitas unter Druck
# Kindergärten

Kitas unter Druck
Von den 11.000 Kindergärten und Kitas in NRW mussten 5.700 im letzten Jahr ganz oder teilweise schließen. Der Hauptgrund: Personalausfälle. In der Simeon-Kita in Gohfeld hat Leiterin Melanie Barth die Gründe auf einem Elternabend erklärt. Für Casandra Drews, Mutter von drei Kindern, hat dies die Augen geöffnet: „Die Hintergründe kannten wir gar nicht.“ Sie und ihr Mann Patrick fanden schnell in Jennifer Ostermeier, Kathrin Glombitza und anderen Eltern Unterstützer, mit denen sie sich an die Politik wenden wollen.
Die Simeon-Kita an der Liegnitzer Straße in Löhne-Gohfeld ist noch ganz neu, nach modernsten ökologischen Standards errichtet, lichtdurchflutet. Achtzehn Mitarbeitende, einschließlich des Teams in der Küche, kümmern sich hier um neunzig Kinder, zehn davon im Krippenalter. Für die Kinder und für Erzieher wie Domenik Schocke ist die Einrichtung eigentlich ein Traum. Die Turnhalle, das Lesezimmer, das neu angelegte Außengelände begeistern jeden Tag. Doch wie überall in NRW gelingt der Kita-Alltag auch hier nur durch den außergewöhnlichen Einsatz der Mitarbeitenden und die Geduld der Eltern.
Täglicher Jonglage-Akt
Das System ist eng auf Kante genäht. Knapp 25 Personalstunden mehr als für die Grundbetreuung nötig stehen Melanie Barth bei der Personalplanung zur Verfügung. Urlaub, Fortbildung oder Krankheit „und schon rutschen wir unter die Grenze“, erklärt sie. Längerfristig geplante Ausfälle können durch Springerkräfte im Verband aufgefangen werden. Doch dies ändert nichts am alltäglichen Jonglage-Akt.
Besonders in den klassischen Erkältungsmonaten kommt das System an seine Grenzen, so dass Zusatzangebote zurückgefahren werden müssen. „Von O bis O findet das eigentlich fast gar nicht statt“, sagt Domenik Schocke. Man merkt dem jungen Erzieher an, dass ihn die Situation belastet. Wie seine Fachkolleginnen und -kollegen brennt er für seinen Beruf und möchte seinen Schützlingen mehr bieten als die einfache Betreuung. Zwanzig Kinder in den Regelgruppen oder zehn im Krippenalter betreut eine Erzieherin oder ein Erzieher im Normalfall. Schon das ist viel, Ausfallzeiten gar nicht eingerechnet.
Wege aus der Krise
Mit cleveren Ideen kämpft das Team der Kita dagegen an. Eine Betreuungsampel soll den Eltern einfacher und schneller zeigen, sobald sich die Personalsituation verschärft, noch bevor Gruppen zusammengelegt werden oder in die Notbetreuung rutschen. Sie löst nicht die Grundproblematik, aber sie kann helfen, einen Eltern-Albtraum zu vermeiden: Morgens, vielleicht erst auf dem Weg zur Kita zu hören, dass eine Betreuung nicht möglich ist. Das sorgt für Tränen, erzählen Katrin Glombitzer und Jennifer Ostermeier, denn ihre Kleinen verstehen nicht, warum sie heute nicht mit ihren Freunden spielen dürfen.
Es ist ein System, das auf einem seit Jahrzehnten überkommenen Familienbild aufbaut. Viele Kita-Familien hängen von Geschwistern, Eltern oder Großeltern ab, um im Notfall einzuspringen. Andere, berichtet Jennifer Ostermeier, hätten aber dieses Absicherungsnetz nicht. Weiterarbeiten oder die Rückkehr in den eigenen Beruf scheint unmöglich. Sie wünschen sich mehr Verständnis von Arbeitgebern und Gesellschaft. Casandra Drews findet drastische Worte: „Wir haben Existenzängste.“
Eltern wünschen verlässliche Lösung von der Politik
Was wünschen sie sich von der Politik? Eine verlässliche Lösung. „Wir versuchen alle unser Bestes, aber die Politik lässt uns nicht“, fasst Casandra Drews die Situation zusammen. Sie spricht dabei für alle Betroffenen: die Kita-Träger und die Teams vor Ort, die Unmögliches möglich machen, die Menschen, die sich ehrenamtlich einbringen wollen, aber von formellen Anforderungen erdrückt werden, und die Eltern und Kinder, die am Ende mit der Situation leben müssen.
Die Novellierung des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) soll manche der Probleme lösen helfen. „Endlich bewegt sich etwas“, sagt Tanja Moßwinkel als Geschäftsführerin des Kitaverbands im Kirchenkreis Vlotho. Aber die angedachten Finanzspritzen werden nur ein paar Lücken ein Stück weit schließen können, befürchtet sie. Das Grundproblem der Verfügbarkeit hingegen würde wahrscheinlich nicht gelöst.
Skepsis über KiBiz-Novellierung
Die neuen Vorschläge mehr Flexibilität. Gerade die hierfür vorgeschlagene Lösung, eine Aufteilung in Kern- und Nebenzeiten mit aufgeweichten Betreuungsformen, macht Tanja Moßwinkel jedoch skeptisch. Neben ausgebildeten Fachkräften sollen andere Berufsgruppen mit anderen Qualifikationen eingesetzt werden können. „Sozialassistenten oder Alltagshelfer leisten enorm wichtige Arbeit“, erklärt Tanja Moßwinkel. „Aber ihr Beitrag sollte zusätzlich zum eigentlichen Fachpersonal sein und dieses nicht ersetzen.“ Die Geschäftsführerin des Verbands macht sich Sorgen, dass für einen kleinen Quantitätsgewinn die Qualität der Betreuung leiden wird.
Die Eltern um Casandra Drews und das Team der Simeon-Kita haben sich vorgenommen, weiter für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen zu kämpfen. Denn sie lieben ihre Kita: „Wir freuen uns immer, dass wir unsere Kinder hierher bringen können.“
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