
15/08/2025 0 Kommentare
Ein hörendes Herz
Ein hörendes Herz
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Ein hörendes Herz
Fast ein Vierteljahrhundert als Klinikseelsorgerin am überregional bekannten Herz- und Diabeteszentrum: Kurz vor ihrem Wechsel auf eine Auslandspfarrstelle kann Antje Freitag auf eine erfüllte Zeit in Bad Oeynhausen zurückblicken. Durch ihr Interesse an Ethikfragen, aber mehr noch durch ihre angenehme und anschlussfähige Art hat die Pfarrerin der Arbeit ihren Stempel aufgedrückt: „Frau Freitag macht Seelsorge, ohne dass man es merkt.“

Als Seelsorgerin war sie anfangs im „Entsendungsdienst“ hierher gekommen, aber verstanden hat sie sich letztlich als fester Teil des interdisziplinären Teams im Herz- und Diabeteszentrum. Diese Motivation, sich über die eigentliche Seelsorge hinaus einzubringen, wurde ihr Markenzeichen. „Manche Kollegen sagen, sie hätten noch nie eine Seelsorgerin erlebt, die ein solches medizinisches Interesse hat“, gibt Antje Freitag zu.
„Glauben leise ins Gespräch bringen“
Dennoch war es ihr erstes Anliegen, für die seelsorglichen Belange der Menschen in der Klinik da zu sein. Die regulären Gottesdienste finden zwar seit der Corona-Pandemie nicht mehr statt, doch der Andachtsraum bleibt ein Anziehungspunkt für Patienten und ihre Angehörigen. Das dort ausliegende Anliegenbuch erzählt ihre Geschichten: manchmal ein kurzer Ausdruck des Dankes für die gelungene Behandlung und die gute Betreuung im Haus, manchmal Seiten voller Sorgen, Angst und Trauer.
Im Büro der Klinikseelsorge neben dem Andachtraum, aber noch viel eher auf den Fluren und in den Stationen des HDZ findet man Antje Freitag. Hier begegnet sie den Mitarbeitenden, Patientinnen und Patienten und ihren Familien und Freunden. Immer wieder zieht sie ihr Weg dabei in die Intensivbereiche und die Kinder-Herzklinik.

Hier hatte Antje Freitag kurz nach der Jahrtausendwende ihren Dienst begonnen, nachdem ihr Ehemann Markus Freitag 1997 die Pfarrstelle auf der Lohe übernommen hatte. Für die Kinder-Herzklinik hatte sie 2004 die seelsorgliche Verantwortung übernommen, als Unterstützung für den Krankenhausseelsorger Bernhard Silaschi. Von ihrem Kollegen übernahm Antje Freitag 2015 dann die erste kreiskirchliche Pfarrstelle in der Krankenhausseelsorge, und damit auch die weitere Verantwortung für die Seelsorge am weit über die Landesgrenzen bekannten Herz- und Diabeteszentrum.
Für die kleine „Anstaltsgemeinde“ hat sie Erinnerungsfeiern initiiert, unterstützt vom klinikeigenen Chor HerzInTakt. Im interkulturell besetzten Herz- und Diabeteszentrum ging es dabei über alle Konfessions- und Religionsgrenzen, mit Lesungen aus Bibel und Koran und gemeinsamem Gesang und Gebet.
Mit dabei in glücklichen und schwierigen Zeiten
Für die vielen Menschen, die als Patientinnen oder Patienten an das HDZ kamen, stand die Klinikseelsorgerin, wie ihre Kolleginnen in den anderen Kliniken der Gegend, immer zur Verfügung. Manche waren nur kurz in Bad Oeynhausen. Andere, besonders viele junge Transplantationspatientinnen und -patienten, mussten lange auf ein geeignetes Organ warten, manchmal Monate davon in der Klinik. Für sie und ihre Familien wurde Bad Oeynhausen oft ein Zuhause auf Zeit. Man spürt aus Antje Freitags Erzählungen, wie sie sich für die Menschen in dieser Ausnahmesituation eingesetzt hat.
Ihnen beizustehen, sie durch die kritischen Stunden vor und nach einer Transplantation oder anderen, oft riskanten Behandlung zu begleiten: das war ein wichtiger Teil der Arbeit der Klinikseelsorgerin. Sie denkt gerne an die Familien, die zu Nachsorgeterminen und Kontrollen zurück an das HDZ kommen und dabei auch ihre ehemalige Wegbegleiterin aufsuchen. Andere Geschichten fanden kein Happy End, und auch sie begleitete Antje Freitag in den schweren letzten Stunden.
Mit Fachwissen und Haltung
Neben der oft stillen Seelsorgearbeit im Hintergrund hat Antje Freitag sichtbarere Aufbauarbeit geleistet: Die Leitung des klinischen Ethik-Komitees. Das Komitee befasst sich mit den medizinethischen Fragen in der Praxis des HDZ. Besonders geht es aber auch um die Sensibilisierung und Ausbildung der Mitarbeitenden. Zusammen mit ihren langjährigen Mitvorsitzenden, Professor Dr. Deniz Kececioglu und, aktuell, Dr. Jost Niedermeyer, hat Antje Freitag Dutzende Mitarbeitende geschult. Ihre Lehrvideos werden auch nach ihrem Weggang den ethischen Unterricht am HDZ unterstützen.

Dafür hat Antje Freitag mit führenden Medizinethikern wie Dr. Arnd May vom Zentrum für Angewandte Ethik in Erfurt oder der ehemaligen Bundesrichterin Ruth Rissing-van Saan zusammengearbeitet. Immer wieder waren dabei die Grenzfragen Thema: Wie weit kann Behandlung gehen, und darf Therapie begrenzt werden? "Der Wille des Patienten ist die Basis für die Behandlung“ ist die offizielle Leitlinie. Was das in der Praxis bedeutet, und wo die Grenze zur aktiven Sterbehilfe liegt, wurde in vielen vertraulichen Fallberatungen und öffentlichen Diskussionsrunden besprochen. Für ihren eigenen Vortrag zur Frage „Was ist gerecht?“ war der klinikeigene Hörsaal bis in die letzten Sitzreihen gefüllt.
Ruf nach Spanien

Zusammen mit ihrem Ehemann wechselt Antje Freitag auf eine Auslandspfarrstelle an der spanischen Westküste, wo sie sich um die große deutschsprachige Gemeinde in der Gegend um Valencia kümmern werden. Auch wenn der Spanisch-Crashkurs erst gerade beendet wurde, kann sich die weitgereiste Pfarrerin auf viel Auslandserfahrung verlassen.
Was sie aus Bad Oeynhausen und dem Herz- und Diabeteszentrum mitnimmt? Die Idee eines Teams von Ehrenamtlichen, ähnlich den Besuchsdiensten im Ev. Kirchenkreis Vlotho, denkt Antje Freitag. Noch mehr aber die Erinnerungen an die Arbeit am Herz- und Diabeteszentrum: „Bad Oeynhausen bleibt mir das Herzstück.“
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