Ein guter Chat, ganz ohne Bot

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Ein guter Chat, ganz ohne Bot

# Ehrenamt

Ein guter Chat, ganz ohne Bot

Sie heißt weder Gemini noch ChatGPT, und sicher nicht Grok. Sie heißt Lisa. Zumindest heißt sie so, wenn sie für ihr Ehrenamt am Hörer oder an den Tasten bereitsteht, um ihre Mitmenschen zu unterstützen, wenn diese ein offenes Ohr oder ein stärkendes Wort brauchen. Bei der TelefonSeelsorge Ostwestfalen ist sie eine von vielen Dutzend Ehrenamtlichen, alle mit eigenen Dienstnamen und eigenen Stärken und Geschichten. Lisas Spezialität ist die Seelsorge per Chat: Im Gespräch mit einer ehrenamtlichen Telefonseelsorgerin.

Schnell tippen kann sie zweifellos. Lisa arbeitet als Büromanagerin auf der anderen Seite des Wiehen. Tastatur und Telefon gehören zu ihrem täglichen Handwerkszeug. Doch man merkt beim Gespräch in der Zentrale der Telefonseelsorge in Bad Oeynhausen: Noch schneller ist sie im Gespräch und in der Beziehung mit ihren Mitmenschen. Mit ihr kann man gut reden. Oder eben schreiben.

Auch wenn Lisa für alle Menschen da ist, die sich bei der Telefonseelsorge melden, und auch wenn sie wie die anderen Ehrenamtlichen im Team viel Dienst am klassischen Telefon macht, ist klar: Lisa hat einen Zugang zur Zielgruppe des Chatangebots. Auch im Chat begegnet man den verschiedensten Personen, jeden Alters und jeder Herkunft, aber in der Tendenz sind sie jünger, weiblicher, medienaffin. 

Seelsorge per Bits und Bytes

Wie funktioniert Seelsorge per Chat? Über das Internetangebot der Telefonseelsorge können Slots für den Chat gebucht werden. Für 45 Minuten hat man dann einen sicheren und vertraulichen Kontakt mit einem echten Menschen, nicht mit einer KI oder einem Bot. Und das Angebot ist heiß begehrt: War es anfangs noch ein Zusatzangebot, sind die Slots heute meist sehr schnell gebucht. Die TelefonSeelsorge Ostwestfalen versorgt fast das ganze nördliche Ostwestfalen und Teile des angrenzenden Kreises Schaumburg. Aber wie auch bei den klassischen Telefonaten können sich die Nutzerinnen und Nutzer darauf verlassen: Jemand ist für sie erreichbar. Sind alle Leitungen belegt oder alle Chats aktiv, ist bald wieder ein Platz frei. Und im Ernstfall, bei technischen Problem, springen die benachbarten Regionen ein.

Wie überall, so bringt das Medium Chat, meist über Smartphones, auch in der Telefonseelsorge einen gewissen Kulturwandel. Es sind weniger die konzentrierten, ausdauernden Gespräche, dafür nur scheinbar flüchtige, eigentlich intensive Kontakte. Manchmal bricht ein Chat für eine ganze Weile ab, erzählt Lisa. „Man merkt dann: Da sitzt gerade jemand im Bus oder Zug und chattet mit mir, und muss gerade umsteigen.“ Ist diese Unverbindlichkeit ein Problem für das Seelsorgegespräch? Nein, erklärt die Seelsorgerin, denn es ist nur ein Merkmal des Mediums. Es sagt nichts über die Qualität des Gesprächs aus.

Eine Wundertüte an Themen

Ob am Telefon oder jetzt beim Chat: Für viele Menschen ist das Gespräch mit der Telefonseelsorge nicht die eine große Krisenintervention, sondern eine Hilfe, sich in einem immer hektischeren Alltag zu orientieren. So mancher Mitreisender in Bus oder Bahn wirkt nach außen ganz aufgeräumt und kontrolliert, fühlt sich aber vielleicht verloren und hängt gerade von der digitalen Aufmerksamkeit des Seelsorgechats ab.

Dennoch fehlen im Chat viele Signale, auf die sich die ehrenamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorger am Telefon verlassen können. Stimme und Tonfall verraten viel über die Anrufenden. „Es kann ein Einfallstor für Missverständnisse sein“, erklärt Lisa. „Man muss die eigenen Annahmen immer wieder überprüfen.“ 

Gleichzeitig bringt der Chat Vorteile. Viele, nicht nur junge Menschen haben eine Scheu vor Telefonaten. Der Griff zum Smartphone ist da viel natürlicher. Auch kommen viele Themen leichter auf den Tisch. Immer mehr Nutzerinnen und Nutzer leiden unter psychischen Problemen. Für sie kann es einfacher sein, schädliche Gedanken nicht aussprechen zu müssen, sondern einfach einzutippen. Und letztlich bleibt immer die Möglichkeit, einen Medienwechsel anzubieten und ein Telefonat vorzuschlagen.

Interesse am Menschen

Ist der Dienst mit seinen manchmal schwer zu verdauenden Inhalten und mit der Selbstverpflichtung zum Schichteinsatz einfach mit ihrem Leben und ihrer Karriere zu verbinden? Das ist für Lisa gar keine Frage. „Das könnte ich nicht“ höre sie von vielen Freunden und Bekannten, aber für Lisa war es gerade das Interesse an Psychologie oder „am Menschen schlechthin“, das sie zur Telefonseelsorge gebracht hat.

Auch die festen Dienstzeiten, nicht zuletzt in Abend- oder Wochenendschichten, kommen der vielbeschäftigten Seelsorgerin entgegen. Die Einsatzplanung sei gut zu organisieren, und dann könne man langfristig planen. Für Lisa sind gerade die späteren Schichten attraktiv, die sie gut mit ihrer Arbeit koordinieren kann, während andere im Team sich eher an Nachmittagen einbringen möchten. „Es klappt eigentlich immer“, sagt Lisa.

Zusammen mit der Leiterin der TelefonSeelsorge Ostwestfalen, Pfarrerin Petra Ottensmeyer, freut sie sich auf weitere Unterstützung. Die TelefonSeelsorge Ostwestfalen sucht immer nach neuen Interessenten, und die nächste Ausbildungsrunde beginnt bald. „Der Dienst gibt viel zurück“, erklärt Lisa. „Es ist schön, gute Kontakte zu erleben und Menschen ein Stück weit zu begleiten.“

Direkt zum Chatportal der Telefonseelsorge

Kostenfreie Anrufe bei der Telefonseelsorge: 0800/1110111 | 0800/1110222 | 116/123

Mehr zur Ausbildung bei der TelefonSeelsorge Ostwestfalen

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