
07/09/2025 0 Kommentare
Abschied vom Bonneberg
Abschied vom Bonneberg
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Abschied vom Bonneberg
Mit 68 Jahren geht sie in den etwas verspäteten Ruhestand: Am 7. September wurde die 1957 auf dem Bonneberg errichtete Jubilatekirche entwidmet. In einem Gottesdienst, der zwischen Trauer und positiven Erinnerungen schwankte, nahmen viele Bonneberger, die Feuerwehr und Vereine des Ortes, der Vlothoer Bürgermeister Rocco Wilken und Gäste aus der ganzen Ev. Kirchengemeinde Vlotho Abschied von der schlichten, aber ortsbildprägenden Kirche in der Ortsmitte.
Unter den veränderungsgewöhnten Vlothoern sind die Bonneberger fast führend. Noch vor wenigen Jahren hatten sie sich mit der Nachbargemeinde in Exter zusammengeschlossen, dann jüngst mit den anderen Gemeinden der Stadt zur Ev. Kirchengemeinde Vlotho. Dabei war Bonneberg selbst noch eine der jüngsten unter ihnen. Erst 1970 war sie von Valdorf abgetrennt worden, zu der die Bauernschaft und die in der Nachkriegszeit stärker gewachsene Siedlung auf dem Bonneberg gehörten. Über viele Jahrhunderte hatten die Bonneberger nach Valdorf zur Kirche gehen müssen oder Gottesdienste auf Dielen oder im Festsaal feiern müssen. Eine eigene Kirche erhielten sie erst 1957, „Jubilate“ genannt nach dem Sonntag ihrer Einweihung. Jetzt beendet die nächste Veränderung die Geschichte dieser Jubilatekirche.
Es ist nach der Aufgabe der Kreuzkirche in Wehrendorf, dem Abriss des Wehrendorfer Gemeindehauses und der anstehenden Übergabe des Gemeindehauses in Exter der nächste große Schritt in der Realisierung des Gebäudekonzeptes der Kirchengemeinde. Um die neue Mitte an St. Stephan in der Innenstadt entwickelt sich das Vlothoer Gemeindeleben neu. Das noch von den Presbyterien der Altgemeinden beschlossene Konzept wird unter der Leitung des Bevollmächtigtenausschusses der Gemeinde umgesetzt. In der Praxis bedeutet dies schwere Schritte, für die die Gemeindeleitung und die drei Vlothoer Pfarrerinnen und Pfarrer auf den Bonneberg gekommen waren, um mit der Ortsgemeinde Abschied von der Kirche zu nehmen.
Mit evangelischem Kindergarten, Kirche und Friedhof ist der Bonneberg fast Archetyp für einen von der evangelischen Kirche mitgeprägten Stadtteil, und dazu noch mit einer aktiven Gemeinschaft gesegnet. Doch selbst mit vielen aktiven Mitmachern sei die Gemeinde nicht in ihrer alten Form zu halten, erklärte Pfarrerin Renate Wefers in offenen Worten in ihrer Predigt. Man brauche eben auch 3000, bei der derzeitigen Entwicklung bald noch mehr Gemeindeglieder, um die nötigen Mittel zu haben für Kirche, Gemeindehaus, Kindergarten, Friedhof und die vielen haupt- und ehrenamtlich Engagierten, die diese pflegen, bewirtschaften und mit Leben füllen. Von dieser Marke ist nicht nur der Gemeindeteil auf dem Bonneberg, sondern alle Teile Vlothos weit entfernt.

Im Gottesdienst wurden die Besucherinnen und Besucher eingeladen, ihre Sorgen, aber auch ihren Ärger auf weißen Blättern aufzuschreiben und an ein vor den Altar gelegtes Kreuz zu heften. Vom Verlust der Kirche und der Sorge, auch den Zusammenhalt zu verlieren, war da zu lesen. Auf grünen Blättern konnten dann Dank und Wünsche notiert werden. Diese zeigten die Aufbruchsstimmung, die sich in der neuen Kirchengemeinde entwickelt, und bald überdeckten die grünen die weißen Blätter. Dennoch blieb der Gottesdienst ein Moment des Abschieds, und nicht alle Augen blieben trocken.
Die Bindung an die Kirche und die Gemeinschaft auf dem Bonneberg zeigte sich auch in einer spontanen Wortmeldung aus der Gemeinde, die sich vor der Kirche versammelt hatte. Anja Grabowski, lange in der EC-Gemeinschaft Bonneberg aktiv, sprach den Menschen, die der Gemeinde ihr Profil gegeben haben, ihren Dank aus, darunter dem langjährigen Pfarrer Martin Streich, der ehemaligen Küsterin und vielen anderen. Sie erntete für ihren Zwischenruf viel Zustimmung.

„Ja, es fühlt sich an wie eine schleichende, langsame Katastrophe“, gab Pfarrerin Renate Wefers zu. Doch eigentlich sei schon der Kirchenbauboom der Wirtschaftswunderzeit, in der auch die Jubilatekirche gebaut wurde, eine „Angstblüte“ gewesen. Die Vorzeichen der Entwicklung waren schon zu sehen, doch erst diese Generation müsse jetzt schmerzliche Rückschnitte durchführen. „Da müssen wir jetzt durch, aber da kommen wir auch durch. Wir müssen jetzt abbauen, damit die Jüngeren, die jetzt nachkommen, eine Chance haben, etwas aufzubauen.“ Aufgegeben würden Immobilien, aber auch anderen Lasten: die moralisierende, die bürokratische Kirche, die Gewohnheitskirche und auch die selbstsichere Kirche, die in einem Ewigkeitsanspruch denkt, sie müsse sich nie verändern.
Superintendentin Dorothea Goudefroy nahm den Gedanken ihrer Vlothoer Kollegin auf. Die Schließung dieser Kirche sei rational nachvollziehbar, „aber sie tut weh“. Mit dem Bild der lebendigen Steine sprach sie den Bonnebergern Mut bei der weiteren Gemeindeentwicklung zu. Die Vlothoer geben jetzt liebgewonnene Gebäude auf, aber sie können zusammen das große Haus der Ev. Kirchengemeinde Vlotho bauen. Das dies schon geschieht, hatte auch Renate Wefers in ihrer Predigt versprochen: „Das ist keine Zukunftsvision. Das passiert schon jetzt.“
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