
13/08/2025 0 Kommentare
Erste Hilfe für die Seele
Erste Hilfe für die Seele
# Ehrenamt

Erste Hilfe für die Seele
Sie bleiben, wenn Polizei, Feuerwehr und Rettungssanitäter ihre Arbeit schon gemacht haben. Wenn der Hausbrand gelöscht ist, aber eine Familie plötzlich wohnungslos dasteht. Wenn die Unfallstelle gesichert ist, aber die Emotionen noch hochkochen: Die ehrenamtlichen Notfallseelsorger stehen immer bereit, in drei Schichten, Tag und Nacht, wenn der Pieper zum Einsatz ruft. Die Koordinatorinnen des Teams im Ev. Kirchenkreis Vlotho, Bettina Steggemann-Buschmeier und Katrin Knefelkamp, verraten, warum sie sich in der Notfallseelsorge engagieren und was sie in ihrem Ehrenamt erleben.
Entgegen den Erwartungen spielt die A2, deren sechs Fahrspuren sich einmal quer durch den Kirchenkreis schlängeln, keine große Rolle in ihrer Arbeit. Es sind weniger die dramatischen Einsätze im Blaulichtflackern, erklären die beiden Notfallseelsorgerinnen, auch wenn ihnen Begriffe wie „Großschadenslage“ leicht über die Lippen kommen. Stattdessen finden sie sich im Einsatz eher in häuslicher Umgebung wieder, wenn ein Familienmitglied unerwartet stirbt, wenn ein Kind vermisst wird oder wenn in der Nacht plötzlich die Polizei an der Haustür klingelt. Es sind Albtraumszenarien für die meisten Menschen.

Wie geht man damit um? „Man muss in der Situation sein“, erklären die beiden Notfallseelsorgerinnen, „aber als Person sollte man sich daneben stellen.“ Es sind weniger die schlimmen Eindrücke, mit denen Ersthelfer an Unfallstellen konfrontiert werden. Vielmehr ist die Herausforderung das Eintauchen in das Leben von Menschen, die gerade eine Ausnahmesituation erleben. „Ganz viel von unserer Arbeit findet am Küchentisch statt“, erklärt Katrin Knefelkamp.
Die beiden Kolleginnen in der Leitung des Notfallseelsorge-Teams sind, wie die anderen zwölf aktiven Ehrenamtlichen im Team, ganz unterschiedlich: Die eine arbeitet in einem fachlich angrenzenden Bereich, in der Arbeit mit psychisch beeinträchtigten Menschen, die andere beim familieneigenen Logistikspezialisten. „Wir sind ein sehr unterschiedlich gestricktes Team“, gibt Bettina Steggemann-Buschmeier zu. Was sie eint, wird im Gespräch schnell klar: Sie alle scheinen fest und mitten im Leben stehen.
Auch sonst gibt es einige Mindestanforderungen: Angehende Notfallseelsorger sollten nicht jünger als 25 sein. Eine gewisse körperliche Belastbarkeit gehöre auch dazu, erklärt Bettina Steggemann-Buschmeier, und die Bereitschaft, sich auf die intensive Ausbildung einzulassen. 100 Stunden Theorie und Begleitung in der Praxis sind nötig, um sich auf die Arbeit vorzubereiten. Dennoch lockt das Ehrenamt in der Notfallseelsorge die unterschiedlichsten Menschen an. Sie selbst sei für einen Vortrag auf die Notfallseelsorge aufmerksam geworden und war gleich begeistert. Ihre Kollegin berichtet, sie habe einmal erfahren dürfen, wie gut es sein kann, wenn jemand wirklich zuhört. Die Beweggründe für das Engagement sind ebenso vielfältig wie die Persönlichkeiten im Team.
Die Vielfalt im Team ist dabei eine Stärke, denn ihre Arbeit konfrontiert sie mit ebenso vielfältigen Situationen. „Die ganze Bandbreite von dem, wie Menschen leben“, erfahre man in den Einsätzen, besonders bei Hausbesuchen. Gleichzeitig bedeutet die Vielfalt selbst im kleinen Team der Notfallseelsorge auch, dass bei der Einsatzkoordination auf unterschiedliche Stärken und auch Schwächen eingegangen werden kann. „Man muss nicht raus, wenn man etwas einfach nicht ‚kann‘“, erklärt Katrin Knefelkamp. „Ich weiß, dass ich mich für diesen Einsatz dann auf jemand anderen aus dem Team verlassen kann“, stimmt ihre Kollegin zu. Möglich wird diese Flexibilität sicher durch mehr persönlichen Einsatz als Bettina Steggemann-Buschmeier durchscheinen lässt, aber auch durch moderne Technik: Die Dienstpläne werden online koordiniert und die Kommunikation findet natürlich mobil statt.

Auch sonst sei die ehrenamtliche Arbeit bewusst so strukturiert, dass sie die Einsatzkräfte schont. Es gibt verpflichtende Erholungszeiten, und auch in der eigentlichen Dienstzeit würde es nicht von Einsatz zu Einsatz gehen. „Es sind ungefähr 60 Einsätze im Jahr“, relativiert Bettina Steggemann-Buschmeier. In der Praxis bedeutet das: Viel Rufbereitschaft. Doch auch das schränke das Leben nicht ein, können die beiden Notfallseelsorgerinnen mögliche Interessenten beruhigen. Die diensthabenden Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger müssen zwar erreichbar sein. Der Pieper ist immer dabei, und in der Region müsse man bleiben. Denn das Ziel lautet: In dreißig Minuten ist man am Einsatzort. „Das schränkt mich in meinem Alltag nicht ein. Ich kann einkaufen fahren, Dinge erledigen - nur ins Freibad sollte ich in der Zeit lieber nicht gehen“, lacht Katrin Knefelkamp.
Im neuen Jahr beginnt wieder die Ausbildung für neue Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger in der Landeskirche. Über mehrere Monate lernen die angehenden Seelsorger in Ostwestfalen dann ihr Handwerkszeug von der „Einsatzindikation: Überbringen einer Todesnachricht“ oder dem Umgang mit Vermisstenfällen bis hin zum wichtigen Thema Selbstfürsorge, Kommunikation und Selbstreflektion. Bettina Steggemann-Buschmeier und Katrin Knefelkamp hoffen darauf, dass auch für ihr „System“, wie sich das Regionalteam in der Notfallseelsorge nennt, wieder engagierte neue Ehrenamtliche finden und mit ihnen für ihre Mitmenschen da sein werden.
Mehr über die Arbeit der Notfallseelsorge.
Kontakt zum Team der Notfallseelsorge im Ev. Kirchenkreis Vlotho.
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