Mit künstlerischen Mitteln einen Dialog über die Freiheit führen: Das war Elisabeth Lasches Intention für ihre Ausstellung in der Auferstehungskirche. Kirchen waren bereits mehrfach Ausstellungsort für ihre Kunst, doch ist “Der Gedanken Freiheit” die erste Gelegenheit für eine Werkschau in Bad Oeynhausen. Die politisch engagierte Bielefelder Künstlerin stellt ihre Werke bis zum 16. Oktober in der Kurstadt aus.
Licht und Raum sind die zwei bestimmenden Erfahrungen für jeden Besucher in der Auferstehungskirche am Kurpark Bad Oeynhausen, und Licht und Raum bestimmen auch das künstlerische Werk von Elisabeth Lasche. Zur Eröffnung ihrer Ausstellung nutzten fünfzig interessierte Besucher die Gelegenheit, dieses Werk im Gespräch mit der Künstlerin zu entdecken und über das Motiv der Freiheit nachzudenken, wofür sich die Wahl einer evangelischen Kirche mit der großen reformatorischen Bedeutung des Themas als besonders anregender Ausstellungsort erwies.
Kreiskantor Jószef Opicz am Cembalo und Uta-Maria Korsmeier, Flötistin und Musikpädagogin aus Bochum, rahmten die Grußworte der scheidenden Kulturreferentin Susanne Böhringer und die Werkseinführung durch Oliver Stümann, Kurator, Galerist und Kunstmittler aus Steinhagen, mit einer virtuosen Aufführung von Telemanns Sonate C-Dur ein. In zwei Improvisationen ließ Uta-Maria Korsmeier ihre Flöte durch den Raum wandern, rufen und mit verstörender Dissonanz schreien. Erst durch Hofmann von Fallerslebens bekanntes Motiv aus “Die Gedanken sind frei” inspiriert, dann ins Melancholische gleitend, glänzte in beiden Improvisationen Elisabeth Lasches Sicht auf ihr Sujet auf: Hoffnungsvoll und freisinnig in ihrem Glauben an die Gedankenfreiheit, aber sich auch des Mangels an Freiheit in den modernen Gesellschaften und der Unmöglichkeit wirklicher Ungebundenheit bewusst. Die geistigen Vögel, wie Bettina von Arnim Gedanken nennt, tragen schwere Last.
“Jeder Gedanke fliegt”, Elisabeth Lasches monumentales Wolkenbild, scheint wie geschaffen für die Nordwand der Auferstehungskirche. In seiner lichten Farbgestaltung findet sich das raumbildende Licht der darüberliegenden Fensterreihe wieder; die Stofflichkeit der Acryltechnik wirkt im Einklang mit dem lebendigen Wandverputz. Aber durch diese ästhetische Erfahrung hindurch tut sich dem Betrachter eine Schau ins Innere des Bildes, in seine Geschichte auf. Unter den in Reaktion auf die Lockdown-Erfahrung entstandenen Arbeiten von 2021 finden sich Schicht um Schicht Vergangenheit: Ein fast forensischer Blick ist nötig, um Lasches “Textarbeit” von 2016 unter den Acrylschichten zu erkennen. Auf den sechs Leinwänden verarbeitete die Künstlerin hier Biographisches aus sechs Lebensdekaden, durch spiegelverkehrte Schrift und die Wahl der englischen Sprache bewusst verzerrt und gefiltert. Und unter diesem Gespräch mit dem gespiegelten Selbst der Künstlerin finden sich ältere Spuren: die übermalte “Durchreise” von 2006, Lasches verfremdete Landschaftsmalerei, deren Wischtechnik den bildlichen Motiven eine eigene Dynamik gibt, den aufgefangenen gedachten Moment aber auch fließend, fliehend und ungreifbar macht. Die Zeit, wie die Gedanken in von Fallerslebens Gedicht, rauscht vorbei wie nächtliche Schatten. Dennoch verschwindet das Vergangene nie, sondern scheint wie die Farbschichten in Lasches Werk immer wieder durch. Auch daher ist die Ausstellung, wie Oliver Stümann bereits in seiner Einführung erwähnt, eine Selbstvergewisserung der Künstlerin und eine Begegnung mit den Grenzen der eigenen Freiheit.
Über Grenzen der Freiheit spricht auch der zweite ausgestellte Bildzyklus, den Elisabeth Lasche 2019 zum 70. Jubiläum des Grundgesetzes entwarf. Mit plakativer Lautstärke stellt jedes Werk des Zyklus einen Rechtsgrundsatz dar, jeweils übersetzt in die Sprache eines Landes, in dem dieses Recht verletzt, missachtet oder vernachlässigt wird. Pressefreiheit, Frauenrechte, Würde werden thematisiert, doch neben die üblichen Verdächtigen stellt die Künstlerin auch die angelsächsische Welt, in der das liberale Prinzip des geschützten Eigentums zu oft als reines Manchestertum gelebt wird. “Eigentum verpflichtet” erinnert wieder an die Grenzen und Banden der Freiheit, die nicht nur in der Beschneidung von Rechten, sondern auch in der Annahme von Pflichten und Verantwortung bestehen. Lutherisch gesprochen unterscheidet sich hier Freiheit im Gesetz von Freiheit vom Gesetz.
Die Ausstellung “Der Gedanken Freiheit” lädt noch bis zum 16. Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr zum Verweilen und Gedankenflug ein. Begleitet wird die Ausstellung durch zwei besondere Veranstaltungen: Am 7. September moderiert Pfarrerin Antje Eltzner-Silaschi ab 19 Uhr mit “Es ist kein Sommer ohne Licht” eine musikalische Lesung mit der Künstlerin. Am 11. September folgt mit “Luft unter den Schwingen” um 19 Uhr eine Tanzperformance des Theaters Bielefeld zum Thema der Ausstellung. Karten sind im Vorverkauf erhältlich beim Gemeindebüro der Kirchengemeinde Bad Oeynhausen-Altstadt und im Kreiskirchenamt.
Zur Person: Elisabeth Lasche, Pastorentochter, Diplomdesignerin und Kunstdozentin aus Bielefeld, arbeitet seit 1993 als freie Künstlerin und hat ihre Werke in Dutzenden Einzel- und Gruppenausstellungen an oft unerwarteten Orten in Ostwestfalen und darüber hinaus präsentiert. Als Autorin verschiedener Werkbücher und literarischer Werke hat die politisch aktive Künstlerin ihre Lebens- und Werkgeschichte mit psychographischem Gespür für die Zwischentöne verarbeitet und im KunstSinn-Verlag veröffentlicht.