Ein sensationell „anderes“ Konzert: Das Erste Improvisierende Streichorchester E.I.S. begeistert in St. Stephan Vlotho

Erstellt am 30.05.2022

von Gabriela Peschke

Dass man in St. Stephan ein Händchen für besondere musikalische Ereignisse hat, ist längt ein offenes Geheimnis. Die alte Klosterkirche füllt sich immer wieder mit begeisterten Zuhörern, die eine niveauvolle Konzertauswahl zu schätzen wissen. Doch jetzt hat ein 14-köpfiges Ensemble, das Erste Improvisierende Streichorchester, erneut ein Highlight präsentiert. Mit einer Mischung aus Klassik, Jazz, Weltmusik und improvisierter Klang-Raum-Gestaltung sind die Musizierenden derzeit auf Frühlingstournee. Den Auftakt bildete am letzten Freitag das Konzert in St. Stephan.

Schon der Beginn war „anders“: In Kleingruppen im Kirchenschiff verteilt, geben die Instrumentalisten ihre kurzen Klangwelten wie ein Staffelholz untereinander weiter. Vorn im Altarraum eröffnet das Cello mit straffem Bogenstrich, um von drei flirrenden Geigen abgelöst zu werden, die sich unter der rückwärtigen Empore gruppiert haben. So ziehen die Musiksequenzen von einer Ecke der Kirche in eine andere und umspielen die Zuhörer wie ein musikalischer Wechsel aus Frage und Antwort.

Dann folgt ein anspruchsvolles Duett von Kantorin Līga Auguste an der Orgel und Susanne Schulz, der Leiterin des Ensembles, auf der Geige. Während der Blick der Besucher noch auf die Orgel-Empore gerichtet ist, wandern die anderen Instrumentalisten behutsam durchs Kirchenschiff, streifen durch die Reihen der Zuhörer. Leise huschen ihre Bögen über die Saiten; man hört sie kaum und doch geben sie dem großartigen Duett auf der Empore einen berauschenden Unterton. Schließlich kommen die Musizierenden, im tänzelnden Walzerschritt, aus allen Teilen des Kirchenschiffs nach vorn, um sich im Altarraum als Ensemble zu formieren.

Doch einer fehlt: ein einzelner Geiger! Er steht auf der rückwärtigen Empore und antwortet dem Ensemble, das nun am anderen Ende des Kirchenraums mit drei Celli und zehn weiteren Streichern einen kraftvollen musikalischen Dialog entfacht. Es ist keine Melodie. Es ist etwas anderes, etwas Neues, das hier seine Geschichte erzählt. Und diese Geschichte beginnt eigentlich schon bei der Kleidung des Ensembles, das in bonbonfarbenen Outfits statt im traditionellen Schwarz daherkommt. Und sie geht weiter über die Posen und Performances, mit denen die Instrumentalisten bereits vor dem Konzert im öffentlichen Raum vor der Kirche spontane Begegnung ermöglicht haben: Ein paar Takte auf der Springbrunnenkante, ein Geigensolo auf dem Mauervorsprung, der Cellist, ganz in grün gekleidet, dreht sein Cello auf dem Stengel wie einen Brummkreisel. Bereits hier, vor dem eigentlichen Event, war klar: Diese Menschen wollen Akzente setzen, haben eine bunte und bewegte Vorstellung von Musik.

Genauso war es dann auch. Inzwischen standen alle Musiker vorn, Susanne Schulz steckte einen nach dem anderen mit ihrem jazzigen Geigensound an, bis die Bögen nur über die Saiten flogen – und alle Instrumentalisten schließlich erschöpft zu Boden gingen. Da lagen sie nun… Stille. Doch dann: Ein Bodrum-Trommler prescht von hinten herein und lässt sie alle auferstehen. Ekstatisch wie ein Derwisch springt er umher, die flirrenden Streicher sind wiedererwacht, und es entbrennt eine leidenschaftliche Klangperformance, die erst ihr Ende findet, nachdem eine Posaune mit weit aufgezogenen Zügen dem Geschehen beispringt und den Trommler verjagt.

Ein Rausch für die Sinne, eine Fülle von Klang, Bewegung, von Farbigkeit und Spielfreude, nicht nur auf, sondern auch mit den Instrumenten. Mit einem großen Finale schließlich verabschiedet sich das Ensemble E.I.S, vom begeisterten Applaus begleitet. Doch bevor das Konzert schließlich ausklingt, gesellt sich ein zehnköpfiger Ansingchor aus unterschiedlichen Vlothoer Gemeinden hinzu, um ein Friedenslied anzustimmen, zu dem auch die Anwesenden eingeladen werden: „Frühling, Sommer, Herbst und Winter, lieben wir die Welt in Frieden. Immer überall steh`n wir dahinter: Frieden in der Welt muss sein!“

Ein Moment der (Un)Ruhe im Altarraum von St. Stephan.

Klangbegegnungen im Freien: Florence Konkel vom EIS vor der Kirche.

Das Erste Improvisierende Streichorchester mit Kantorin Līga Auguste und Ansingchor.