„Verleih uns Frieden gnädiglich“ - Friedensgottesdienst statt Blaulichtgottesdienst in der Autobahnkirche Exter

Erstellt am 10.03.2022

von Gabriela Peschke

Er ist ein fester Brauch im Kirchenjahr, zugleich auch immer ein Akt der Ermutigung für die Notfallseelsorger und Rettungsschaffenden: der sogenannte „Blaulichtgottesdienst“, in dem traditionell am ersten Sonntag im März die Einsatzkräfte einsegnet werden und der auch als Zeichen der öffentlichen Dankbarkeit für ihren wertvollen Einsatz gilt. Doch auch hier hat die Pandemie ihre Spuren hinterlassen. Zuletzt vor zwei Jahren konnte dieser besondere Gottesdienst gefeiert werden und nun muss die geplante Einsegnung erneut verschoben werden: „Wir rechnen damit, dass die neuen Notfallseelsorger im September offiziell eingeführt werden können“, sagt Pfarrer Matthias Rausch, der für die Notfallseelsorge in der Region Ostwestfalen-Lippe zuständig ist.

Und so hatte Pfarrer Christoph Beyer aus gegebenem Anlass den ersten Sonntagsgottesdienst im März kurzerhand umgewidmet: zum Friedensgottesdienst anlässlich des Krieges in der Ukraine. „Ich finde, die Situation ist vergleichbar: Notfallseelsorger begegnen Menschen in völliger Hilflosigkeit und Verzweiflung, sie trösten und helfen, das Chaos zu ordnen. Und eine ähnliche Situation haben wir derzeit auf der Weltbühne: unermessliches Leid, Not, Flucht“, so der Pfarrer für Valdorf und Wehrendorf.

So war der Kern des Gottesdienstes zunächst die Lesung aus dem 6. Kapitel des Lukas-Evangeliums, die Ermahnung Jesu zu friedvoller Haltung bei Krise und Konflikt: „Liebet Eure Feinde. Segnet, die Euch verfluchen. Vergebt, so wird Euch vergeben“. Dem schloss sich die Gemeinde mit dem Friedensbekenntnis der Ökumenischen Weltversammlung an: „Ich glaube, dass Gott für die Welt eine Ordnung will, die auf Gerechtigkeit und Liebe gründet“, heißt es darin.

Doch musste sich das angesichts der dramatischen Zuspitzung um den russischen Krieg nicht wie „schöne, leere Worte“ anfühlen? Pfarrer Matthias Rausch ging in seiner Predigt dieser Frage nach. „Wenn sich Menschen angesichts fruchtloser Diplomatie im Handumdrehen für Waffenkämpfe aussprechen, muss einem diese Botschaft der Bibel dann nicht naiv vorkommen?“ Doch er ließ keinen Zweifel an einer klaren Haltung zu den christlichen Werten und dem Auftrag zu Frieden. Mehr noch: Matthias Rausch spannte mit seinen Worten den Bogen zu der Arbeit der Notfallseelsorger und bestärkte damit unter anderem die Rettungsschaffenden unter den Gottesdienstbesuchern: Beistand leisten und Not gemeinsam auszuhalten sei auch ein Gottesauftrag, den der Apostel Paulus in seinem Brief an die Korinther (2,6) formuliert habe. „Paulus war kein „Schönwetterprediger“, er kannte die Widersprüchlichkeit des Glaubens und die Brüche des Lebens aus eigener Erfahrung. Seine Worte können uns Kraftspender sein“, so der Pfarrer.  Für die „Friedensarbeit in täglichen Notlagen“, die die Notfallseelsorger leisteten, dankte er stellvertretend den im Gottesdienst Anwesenden. Rausch erinnerte an die Nöte, die durch Traumatisierung entstehen, und hob vor diesem Hintergrund besonders das zielstrebige Vorgehen der Notfallseelsorger hervor: „Orientieren – stabilisieren – Ressourcen aktivieren. In diesem Dreischritt helfen wir, das Unerträgliche im ersten Moment zu bewerkstelligen“, führte er aus. Diese Haltung könne sich auch als hilfreich erweisen, wenn demnächst Geflüchtete aus der Ukraine in die Gemeinde kämen. „Halt geben und Stabilität, das können wir alle leisten. Und zwar aus der Kraft des Glaubens“, betonte er.

Nach Fürbitten für den Weltfrieden schloss der Gottesdienst mit dem Choral „Verleih uns Frieden gnädiglich“, zu dem sich alle Besucher auf dem Vorplatz der Autobahnkirche versammelten, weil im Freien mit Abstand gesungen werden durfte. Zuvor im Gottesdienst hatte die Orgel die Melodien aus dem Gesangbuch gespielt und Pfarrer Beyer die Liedtexte gesprochen.

Statt zum traditionellen Blaulichtgottesdienst sind sie aus aktuellem Anlass zu einem Friedensgottesdienst zusammengekommen (vordere Reihe, von links): die ehrenamtlichen Notfallseelsorger Stephanie Greco, Claudia Neffgen-Nekes und Ulrich Ammon sowie (hintere Reihe, von links) Matthias Rausch, Pfarrer für Notfallseelsorge in der Region Ostwestfalen-Lippe, Thomas Prüßmeier und Tobias Besler von der Löschgruppe Bonneberg der Freiwilligen Feuerwehr Vlotho sowie Pfarrer Christoph Beyer.

"Verleih uns Frieden gnädiglich": Das Schlusslied durfte von allen Gottesdienstbesuchern gesungen werden, dafür ging es eigens auf den Kirchvorplatz der Autobahnkirche Exter.

Die Jacke zeigt ihre Zugehörigkeit: Claudia Neffgen-Nekes, hier im Gespräch mit Pfarrer Matthias Rausch, gehört zu den ehrenamtlichen Notfallseelsorgern.