Musikalische Impulse zum Auftakt von Kirchen + Kino: Harald Schroeter-Wittke stimmt am Flügel auf kommende Filme ein

Erstellt am 08.09.2022

Von Gabriela Peschke

Kino ist immer auch „Kopfkino“ – nämlich das, was wir aus den Bildern machen, die uns von der Leinwand entgegenkommen. Wie sehr aber auch Töne eine Verbindung zu einem Filmsujet aufbauen können: Das hat in eindrucksvoller Weise der Theologe Harald Schroeter-Wittke aus Paderborn gezeigt. Bei der Auftaktveranstaltung zur neuen Staffel der Reihe Kirchen + Kino hat der Professor vom Institut für Evangelische Theologie an der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn seine Zuhörer aber zunächst mit einem Impulsreferat von ganz persönlicher Note eingestimmt: „Warum ich als Theologe ins Kino gehe“.

Da erfuhr man, dass Harald Schroeter-Wittke Geselligkeit liebt und sich gern unterhalten lässt – weshalb er schon selbst Gesellschaftsspiele erfunden hat. Spannend wurde es bei der Kernthese seines Vortrags: „Ich nehme Theologie im Modus der Unterhaltung wahr“. Unterhaltung hat für ihn drei Aspekte. Zunächst ist da die nährende Dimension: Gott „unter-halte“ die Welt im wörtlichen Sinn. Er versorge alles Leben, sagte der Schroeter-Wittke. Unterhaltung sei auch stets ein Diskurs auf Augenhöhe, eine gegenseitige „Wahrheitsfindung“ im Gegenüber und somit auch in der Unterredung zwischen Gott und dem Menschen, in Gebet und Gottesdienst. Und schließlich outete sich der Unterhaltungs-Fan Schroeter-Wittke mit seiner dritten These: „Spaß muss sein!“. Vergnügen im weichen Kinosessel lobte er und die Vielfalt der Themen, die über die Leinwand eine Brücke in die Herzen der Menschen fänden.

Überraschung an den Tasten

Doch dann kam die große Überraschung: Der kinobegeisterte Theologe ist zugleich ein virtuoser Pianist und hatte seinen Zuhörern in der Heilig-Geist-Kirche zahlreiche musikalische Miniaturen mitgebracht. Und zwar intonierte er Sequenzen aus klassischer und zeitgenössischer Komposition, jeweils als „akustischen Auftakt“ in ein Filmthema. Denn Pfarrerin Susanne Böhringer, Leiterin des Kulturreferats im Kirchenkreis Vlotho, stellte nun acht ausgewählte Filme vor, die im kommenden Halbjahr in der UCI-Kinowelt in Bad Oeynhausen präsentieren werden.

Acht Filme mit acht Liebesthemen ganz unterschiedlicher Couleur: Vom Leidensweg eines Guantanamo-Gefangenen über eine besondere Liaison zwischen Onkel und Neffen bis zu einem Mutterschaftsdrama, das die Motive der Verwechslungskomödie ins Tragische kehrt, ist alles vertreten, was die Vielfalt menschlicher Beziehungen bestimmt. Die „klingenden Trailer“ hatte Harald Schroeter-Wittke sorgfältig darauf abgestimmt.

Klingende Trailer vom Klavier

So klang das Thema aus dem gefälligen Weihnachtslied „O Heiland reiß die Himmel auf“ als Meditation für Klavier plötzlich steinig und spitz, als es im Zusammenhang mit Folter eine völlig neue Konnotation erhielt (Film: „Rabiye Kurnaz gegen George W. Busch“).

Auf einen Streifen über den russischen Oppositionsführer Nawalny stimmte Schroeter-Wittke mit dem „Muster-Russen“ Dmitri Schostakowitsch ein. Dessen Präludium und Fuge C-dur mit ihrer klaren, wehmütigen, beinahe transzendentalen Musik beschworen vor dem inneren Auge ein Russland herauf, das so anders anmuten mochte als das gegenwärtige.

In „Come on, come on“ geht es um eine Sorgerechts-Thematik zwischen Onkel und Neffen, wie die Zuhörer von Susanne Böhringer erfuhren. Schroeter-Wittke, bekennender Beethoven-Fan, hatte dazu dessen Bagatelle g-moll ausgewählt. Warum? „Beethovens Beziehungskonflikt zu seinem Neffen Karl ist wohl der berühmteste seiner Art in der Musikgeschichte“, erläuterte er – und sein herrischer Griff in die Tasten machte schnell glauben, dass diese Verbindung keine einfache war. Mit leidenschaftlicher Mimik und in straffer Haltung dem Werk am Flügel verbunden, gehorchte bei Schroeter-Wittke alles seinem Spiel, das da in so wenigen Minuten über die Tasten donnerte.

Für einen Identitätskonflikt eines Homosexuellen (Film: „Große Freiheit“) wählte der Theologe Werke von Leonard Bernstein, die dessen ebenfalls zerrissene, bisexuelle Persönlichkeit in der Musik abbilden.

Anthony Hopkins als Demenzkranker in dem Film „The Father“ fand seinen musikalischen Widerhall in Auszügen aus Robert Schumanns „Geistervariationen“, die in der Entrücktheit der Musik schon Schumanns geistigen Abstand zur Welt erkennen lassen.

Auf ein spanisches Drama über Mutterschaft stimmte Schroeter-Wittke mit spanischer Musik ein; ein Film über Erziehung im Buddhismus („Lunana – Das Glück liegt im Himalaya“) wurde von Claude Debussys Musik für sein Kind eingeleitet.

In großer musikalischer Spannweite hat Harald Schroeter-Wittke seine Miniaturen ausgewählt, für die Zuhörer kommentiert und schließlich virtuos am Flügel dargeboten. Eine bewegende Einstimmung auf die Kino-Session – und ein Genuss für die Ohren!

Die neue Staffel von Kirchen + Kino startet am Montag, den 17. Oktober 2022, in der UCI-Kinowelt in Bad Oeynhausen als Gemeinschaftsprojekt des Kulturreferats KuK! im Kirchenkreis Vlotho, des Dekanats Herford-Minden und der UCI-Kinowelt.

Prof. Schroeter-Wittke spielt klingende Trailer

Christian Zienc (Theaterleiter UCI-Kinowelt Bad Oeynhausen), Ulrich Geschwinder (Dekanat Herford-Minden), Susanne Böhringer (Kulturreferat KuK! des Kirchenkreises Vlotho), Martin Decking (Dekanat Herford-Minden) und Prof. Dr. Harald Schroeter-Wittke freuen sich über die gelungene Auftaktveranstaltung von Kirchen + Kino.