„Geschichte hautnah, bitter und schmerzhaft“: Gedenkbrunnen vor der Auferstehungskirche fließt wieder

Erstellt am 08.09.2021

Stetig strömt das Wasser über die Inschrift des Gedenkbrunnens vor der Auferstehungskirche am Kurpark, der an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Nach einigen Jahren der Trockenheit war der Brunnen im vergangenen Jahr repariert worden. Mit einem Gottesdienst vor der Auferstehungskirche am Kurpark wurde seine Restaurierung feierlich begangen.

Die musikalische Gestaltung übernahmen der Posaunenchor und einige Mitglieder der Kantorei unter der Leitung von Kreiskantor József Opicz. Rings um den wieder fließenden Brunnen hatten die Gottesdienstbesucher Platz genommen. „Der Brunnen ist ein sichtbares Stück Erinnerungskultur und ein Ort, um ins Gespräch zu kommen. Unsere Aufgabe ist, nicht zu vergessen, was damals geschehen ist, auch in der Zeit des Generationenwechsels“, sagte Bürgermeister Lars Bökenkröger in seinem Grußwort. Brunnen waren früher ein lebenswichtiger Ort zur Wasserversorgung und zum Austausch, was in der Welt geschah, erinnerte Superintendentin Dorothea Goudefroy. „Menschen haben dort Gemeinschaft gepflegt, so wie wir heute“, sagte sie. Sie zitierte den ersten Satz aus Thomas Manns „Joseph“-Roman („Tief ist der Brunnen der Vergangenheit“) und mahnte, die Gemeinschaft nicht aufzugeben und gegen Hass einzutreten. „So wird der Ort der Erinnerung zum Ort des Lebens“, so die Superintendentin.

Auch Pfarrer i. R. Bernhard Silaschi, der gemeinsam mit Prädikantin Cornelia Crummenerl die Liturgie hielt, erinnerte an historische Aufgaben von Brunnen. „Dort wurden nicht nur Liebesbande geknüpft, es ging auch knallhart um die besten Plätze; um Brunnenrechte. Auch davon erzählt die Bibel. Wasser ist eine kostbare Ressource. Jemandem das Wasser abzugraben, wie ein Sprichwort sagt, bringt Menschen in existenzielle Not. Konflikte um Wasser bedrohen den Frieden. Dieser braucht Gerechtigkeit, wie der Brunnen mit einem Vers aus dem Buch Amos sagt: Es ströme das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. Der Brunnen mahnt, auch gegenwärtig wachsam zu bleiben, wenn beispielsweise Grundwasserspiegel sinken, weil Großkonzerne Wasser zur Profitmaximierung abschöpfen“, so Silaschi.

Künstler Dietmar Lehmann, der den Brunnen entworfen hatte, erinnerte an die Zeit vor dem Bau, als verschiedene Entwürfe diskutiert wurden. „Das Thema liegt mir am Herzen“, sagte er. Der langjährige Pfarrer der Altstadtgemeinde Lars Kunkel, inzwischen als Bundespolizeipfarrer tätig, blickte auf die Schwierigkeiten der Reparaturen zurück. „So manches Mal haben wir in den tiefen Schacht der Zisterne geleuchtet, weil der Brunnen mal wieder nicht lief. Rücksichtslose Autofahrer haben den Brunnen mit einem Parkplatz verwechselt. Sie sind munter drüber gefahren und haben die Brunnenplatte zerstört. Wir haben Milch rein geschüttet, das roch fürchterlich und war die schlechteste Idee zur Fehlersuche. Mehrmals waren wir kurz vorm Aufgeben. Die Reparatur war teuer. Sie wurde aus privaten Spenden und zum Großteil von der Stadt finanziert, ohne die Stadt ständen wir heute nicht hier“, bedankte sich Kunkel für die Unterstützung. Er erinnerte an einige jüdische Mitbürger. „Geschichte hautnah, bitter und schmerzhaft“, sagte Pfarrer Kunkel.

Weihen den Gedenkbrunnen neu ein (von links): Bürgermeister Lars Bökenkröger, Pfarrer i. R. Bernhard Silaschi, Prädikantin Cornelia Crummenerl, Pfarrer Lars Kunkel, Superintendentin Dorothea Goudefroy und Künstler Dietmar Lehmann.