Was hat die Orgel mit dem Dudelsack zu tun? Kurioses und Kreatives im Orgelworkshop mit Annegret Jesse in St. Johannis

Erstellt am 14.06.2021

Die Römer spielten sie, als die Gladiatoren in die Arena marschierten. Noch schneller aber waren die Griechen: Sie nämlich haben das traditionsreiche Pfeifen-Instrument erfunden, das über einen Blasebalg betrieben wird – und dadurch sogar mit dem Dudelsack verwandt ist!

Die Frau, die all das weiß, sitzt auf der Orgelbank und lächelt verschmitzt: Annegret Jesse, Organistin in Vlotho, hat den ersten Orgelworkshop konzipiert. „Ich kann gut mit Kindern umgehen und möchte sie auf interessante Weise für dieses vielseitige Instrument begeistern“, sagt sie. Deshalb ist sie beim Orgeltag der Evangelischen Kirchen von Westfalen mit einem vielseitigen Programm dabei: Mit reichlich Wissen über ein Instrument, das man heute fast nur noch mit Kirchenmusik verbindet. Zudem mit einem spannenden Blick hinter die Kulissen der Orgelempore. Und schließlich mit einer Mitmach-Improvisation.

Da ist es schon sehr schade, dass an diesem sonnigen Sonntag nur eine junge Interessentin den Weg in die St.-Johannis-Kirche gefunden hat: die 17-jährige Annabell Barkmin. Annegret Jesse begrüßt sie freudig: „Wir kennen uns aus dem Musikunterricht“, sagt Jesse. Annabell ist seit elf Jahren Schülerin bei Annegret Jesse, spielt inzwischen Flöte, Gitarre und Akkordeon. Aber heute entdeckt sie die Orgel: Annabell darf hinter den Pfeifen herumklettern und in das Rückwerk spähen. Sie bekommt den Motor erklärt und erfährt, warum die Pfeifen eine „Luftpumpe“ brauchen. Damit es besonders anschaulich wird, hält Annegret Jesse das Mundstück einer Flöte vor eine mitgebrachte Luftpumpe. Annabell lacht. Und auch bei der nächsten Geschichte lacht sie: „Der große Blasebalg, der die Pfeifen mit Luft versorgt, ist meistens aus Leder“, erläutert Annegret Jesse. „Und stell Dir vor, in einer Gemeinde ist es einmal passiert, dass die Kirchenmäuse den Blasebalg angeknabbert haben – und da gab es plötzlich kein einziges Tönchen mehr von der Orgel“.
Wie gut, dass das an der Steinmann-Orgel in St. Johannis noch nie passiert ist. Denn jetzt möchte Annabell endlich selbst die Orgel zum Klingen bringen. Auf einem F-Dur-Akkord spielt sie eine kleine improvisierte Tonfolge unter Anleitung von Annegret Jesse. Das klappt sehr gut – nicht zuletzt deshalb, weil Annabell auch Klavierunterricht bekommt und sich auf dem Manual der Orgel schon gut bewegen kann.

Annegret Jesse möchte junge Menschen für das Orgelspiel gewinnen. „Man denkt sich die Orgel immer so heilig“, sagt sie lachend, „weil man sie ja nur aus den Gottesdiensten oder sakralen Konzerten kennt. Aber die Orgel kann auch Popmusik!“

Als Beweis hat die kreative Organistin bei Youtube ein Video eingestellt, bei dem sie den aktuellen Chart-Breaker „Wellerman“ zum Besten gibt – mit Wikinger-Helm auf dem Kopf, um dem Seemannslied ein entsprechendes Flair zu verpassen. Auch im „Nachspiel“ zum Orgelworkshop noch ein kerniges Sound-Erlebnis:

Annegret Jesse spielt "The Wellerman"

Hand an Hand: Annabell spielt gemeinsam mit Annegret Jesse eine kleine Tonfolge.

Interessiert bestaunt Annabell Barkmin das Rückwerk der Orgel: ein Schrank voller großer und kleiner Pfeiffen.