Bäumen begegnen: in Wort und Bild und durch Musik beim Literaturgottesdienst

Erstellt am 17.02.2020

Es war ein besonders feinsinniger Kunstgenuss, dieser Literaturabend zum Thema Bäume. Denn es ging nicht nur um Poesie. Stimmungsvolle Fotografien von Dieter Lehmann eröffneten einen neuen Blick auf die „grünen Gefährten“. Und passend dazu beschenkte József Opicz die Zuhörer mit klangmalerischen Improvisationen am Flügel.

Bäume sind „in Mode gekommen“, nicht zuletzt dank aktueller Erkenntnisse über die Sinnlichkeit dieser Pflanzen und ihrer positiven Rückkopplung auf das menschliche Wohlergehen. Doch die Bewunderung für die stummen Gefährten am Wegesrand, ob massig und riesenhaft oder winzig und zerbrechlich, sie ist so alt wie die Bibel und zieht sich wie ein grünes Band durch den Schatz der deutschen Literatur, wie die Zuhörer in der gut besetzten Auferstehungskirche am Samstag erfuhren.

Dieter Lehmann hatte aus seinem Fundus an Gedichten eine reiche Auswahl zusammengestellt und in Antje Illeson-Labie und Peter Voß zwei Mitstreiter gefunden, die mit klaren, formschönen Erzählstimmen den literarischen Miniaturen Leben einhauchten.

Von christlichen Allegorien in der Genesis und dem Buch der Richter über Autoren des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts wie Hans-Christian Andersen, Theodor Fontane oder Hermann Hesse reichte das Spektrum bis zu zeitgenössischen Dichtern wie Else Lasker-Schüler und Bertolt Brecht. Bemerkenswert auch, dass Dieter Lehmann neben einer eigenen Erzählung auch Werke von Bad Oeynhausener Bürgern zu Wort kommen ließ.

„Bäume haben Menschen immer berührt“, fasste der pensionierte Pädagoge und Initiator der Veranstaltung zusammen. Diese Momente hatte Lehmann in besonderen Fotografien festgehalten: Als Backup-Einblendung zu den Gedichten zeigte er jahrhundertealte, vermooste Baumbestände, zeigte Riefen und Risse im „Gesicht“ eines knorrigen Ölbaums, zeigten eine „geschichtsträchtige“ Baumgruppe auf einem Hügel im nahegelegenen Porta Westfalica-Holtrup.

Hermann Hesse, so erfuhren die Zuhörer, verglich Bäume mit großen, einsamen Geistern wie Nitzsche oder Beethoven. „Bäume sind Heiligtümer. Wer ihnen zuhört, der erfährt die Wahrheit, das Urgesetz des Lebens“, zitierte Peter Voß aus Hesses Schriften. Erich Kästner lobt das Altern eines Ölsbaums als „bildgewordene Zeit“, Wilhelm Busch dagegen die praktischen Seiten der Birke – ob für Holzschuh oder Reiserbesen. Der Birnbaum des Von Ribbeck zu Ribbeck im Havelland erfreute die Zuhörer dabei genauso wie Rilkes Herbst- und Heines Frühlingsgedicht.

In das literarische Gesamtwerk des Abends kunstvoll eingewoben waren die musikalischen Intermezzi von Kreiskantor József Opicz, der mit viel Feingefühl seine Improvisationen am Flügel auf die Stimmung der Gedichte und Fotografien ausrichtete. Hatte man soeben noch zu dem Gedicht „Die Eberesche“ von Else Lasker-Schüler eine Fotografie gesehen, auf der eine Schwarzdrossel sich an die roten Beeren heranpirscht, so glaubte man im Anschluss buchstäblich den hungrigen Vogel mit seinem typischen „Pick-Laut“ zu hören – doch diese Tonfolge kam vom Flügel, gestaltet von József Opicz. Ein anderes Mal schuf Opicz die Illusion von Wind; eine kurze Sequenz flüchtiger Klänge, begleitet von dem hauchdünnen Ton einer Glasharfe. Diese Improvisation nahm die soeben gehörte Frage auf „Wo schlage ich Wurzeln? Wo finde ich Halt, wenn es stürmt?“

Bäume als Rückzugsorte und Kraftspender, als Sinnbilder und als „Spiegelfläche“ für den Menschen – vielfarbig waren die literarischen Kostproben, die die Veranstalter ausgewählt hatten. Das Publikum dankte es ihnen mit minutenlangem Applaus im Stehen.

Haben die Zuhörer mit einem poetischen Literaturabend beschenkt (von links): Dieter Lehmann, Antje Illeson-Labie und Peter Voß sowie Kreiskantor József Opicz am Flügel.

Er hatte die Idee zu der Veranstaltung und hat auch selbst mitgewirkt: Dieter Lehmann, hier beim Vortragen eines Gedichts.

Starke Bäume, starke Wurzeln: Mit eingeblendeten Fotografien von Dieter Lehmann wurde der Vortrag angereichert.