Kantatengottesdienst: Altstadt-Kantorei interpretiert Bach-Stück neu

Erstellt am 03.02.2020

Wann ist das Leben erfüllt?

Wer kennt noch das Fest der „Darstellung des Herrn“? Auch als „Mariä Lichtmess“ bezeichnet, zählt der 2. Februar zu den weniger vertrauten christlichen Gedenktagen. Doch die Kantorei an der Auferstehungskirche hat ihrer Gemeinde jetzt Gelegenheit gegeben, sich mit dem Festtag und seinem Ursprung neu zu befassen: in einem feierlichen Kantaten-Gottesdienst.

Vor fast dreihundert Jahren, als Johann Sebastian Bach sein Werk „Mit Fried und Freud fahr` ich dahin“ zum ersten Mal aufführte, war der Bezug der Gläubigen zum vertonten Ereignis vermutlich noch gegenwärtiger als heute. Denn hier hat Bach in Musik gekleidet, was im Lukas-Evangelium beschrieben ist: Vierzig Tage nach seiner Geburt wurde der Jesus-Knabe als Erstgeborener im Tempel Gott dargebracht und durch ein Oper ausgelöst, so wie es traditionell das jüdische Gesetz vorsah. Doch eine Besonderheit macht diese Bibelstelle aus: die Begegnung des greisen Simeon mit dem Jesus-Knaben, der in ihm Gottes Verheißung erkennt. Nun kann der alte Mann sein Leben beruhigt dem Herrn übergeben, da sich die Prophezeiung an ihm erfüllt hat: „Mit Fried und Freud fahr` ich dahin“, heißt es dazu bei Bach.

Die Kantorei eröffnete mit dem mehrstimmigen Eingangschoral der Kantate. Anschließend trug Kantor József Opicz die reich verzierte Alt-Arie vor, die das  Gottvertrauen in der Todesstunde besingt: „Wenngleich des Leibes Bau zerbricht, doch fällt mein Herz und Hoffen nicht“. Begleitet wurde er dabei unter anderem von Flöte und Oboe aus dem Orchester „Opus 7“, das in bewährter Tradition auch diesen Kantatengottesdienst mitgestaltete. Als weitere Gesangssolisten wirkten Christian Volkmann (Tenor) und Franz Spenn (Bass) mit. Für das Continuo konnte der Bad Salzuflener Kirchenmusiker David Ludewig gewonnen werden.

Von der Orgelempore aus erfüllte die Musik das Kirchenschiff. Besonders eindrucksvoll war der Lobpreis „Ein unbegreiflich Licht“, ein Duett von Tenor und Bass in formschönen, barocken Schleifen mit eingewebten Streicher-Sequenzen. Von der Balustrade aus, den Blick hinab auf die Gemeinde, hatte der Wechselgesang von Spenn und Volkmann das Tröstliche einer Botschaft, die „von oben“ kommt: „Wer glaubt, soll selig werden“, so der Liedtext.

Pfarrer Lars Kunkel ging in seiner Predigt der Leitaussage der Kantate nach („Mit Fried und Freud fahr´ ich dahin“). Die alte, eher sperrige Formulierung überführte er in eine  zeitgemäße Frage: „Was müsste in meinem Leben passiert sein, damit ich sagen kann: Jetzt ist genug, Herr. Jetzt kann ich gehen?“ 

Kunkel skizzierte besondere Momente, in denen Menschen „vor Freude fast vergehen“ und nannte als Beispiel die Geburt eines Kindes. „Die Freude, die das Lied besingt, ist eigentlich keine „Todesfreude“, sondern die Freude über die Erneuerung der Welt“, interpretierte er die Titelzeile der Kantate. So wie Simeon angesichts des Messias Gottes unerschütterliche Gegenwart gespürt habe, so ermunterte der Pastor die Gläubigen, ihren Reichtum im Leben durch die Geborgenheit in Gott zu erspüren. 

Während des Abendmahls beschenkten die drei Gesangs-Solisten die Gemeinde erneut mit dem Lobpreis des Simeon („Nunc dimittis“), diesmal in der Fassung des irischen Komponisten Charles Wood. Mit der Wiederholung des Eingangschorals entließ die Kantorei die Gemeinde aus dem feierlichen Gottesdienst.