Grenzen, Kraftquellen und Segensspuren

Erstellt am 14.10.2019

Simone Strahl erzählt aus dem Alltag einer Blinden

SCS/Bad Oeynhausen. „Belastungen hat jeder in unterschiedlichem Maß“, sagte Simone Strahl. Die 48-jährige berichtete vor der Frauenhilfe der Wicherngemeinde zum Thema „Christliche Lebensbewältigung unter Belastung“ von ihren Erfahrungen als Blinde.

 

Simone Strahl kam als Frühgeburt zur Welt. „Die Ärzte sagten zu meiner Mutter, das Kind überlebt eh nicht“, erinnerte sie sich. „Doch ich habe überlebt. Da ich nach der Geburt im Brutkasten zu viel Sauerstoff bekam, bin ich blind.“ Ihren Eltern war wichtig, dass sie trotz ihrer Beeinträchtigung fröhlich und selbstständig durchs Leben gehen kann. „Ein echter Segen. Immer wieder taten sich Türen und Wege auf“, sagte sie. Ihre Kindheit hat Simone Strahl positiv in Erinnerung: „Bis zur Schulzeit war mir meine Blindheit gar nicht so bewusst.“ Um in Soest die Blindenschule zu besuchen, zog sie unter der Woche mit ihrer Mutter aus ihrer Heimatstadt Gladbeck an den Möhnesee. Anschließend konnte sie auf das dortige Gymnasium wechseln und die Familie zog komplett um. „Meine Pubertät war keine tolle Zeit. Blindsein ist schwierig, wenn es um Jungs und Klamotten geht, und man mit seiner Mutter einkaufen gehen muss, obwohl man keinen Bock auf Eltern hat“, erinnerte sie sich. Im Jugendkreis kam die junge Frau mit dem Glauben in Berührung und erlebte, dass „Glaube trägt“.

 

Nach der Schule wollte ihr Vater, dass sie Jura studierte, um als Anwältin andere Behinderte zu vertreten, „aber das war nicht meins. Mit Menschen arbeiten schon.“ So entschied sie sich für ein Studium der Heilpädagogik. „Das erwies sich im Nachhinein als Segen“, sagte Simone Strahl. „Eine spannende Zeit, in der ich auch meine Grenzen erlebt habe.“ Lebhaft und anschaulich erzählte sie, wie sie nach dem Studium eine Stelle im Bereich der tagesstrukturierenden Angebote auf dem Wittekindshof bekam und vor 19 Jahre „aus dem Ruhrgebiet ins tiefste Ostwestfalen“ zog. Sie berichtete von Krisen, Sorgen und Chancen.

 

„Da ich Menschen noch anders helfen wollte, habe ich eine seelsorgerische Ausbildung und anschließend den Heilpraktiker für Psychotherapie gemacht. Die Prüferin hat alles dafür getan, dass ich in der mündlichen Prüfung durchfalle“, erinnerte sie sich. „Bei der Wiederholung ein Jahr später hatte ich dieselbe Prüferin, aber ich habe bestanden, obwohl sie es wieder verhindern wollte. Sie drohte mir, ja keine Praxis zu eröffnen.“ Völlig haltlos, wie ein anderer Prüfer erklärte. „So suchte ich Räume und fand durch einen glücklichen Zufall meine Praxis in Kirchlengern“, sagte Simone Strahl. Dreimal in der Woche ist sie dort tätig. Außerdem macht sie eine Zusatzausbildung in der Traumatherapie.

 

Zu den modernen Hilfsmitteln, die ihr den Alltag erleichtern, zählen Uhr, Fieberthermometer, Laptop und Fußgängernavi mit Sprachfunktion, Notizgerät, Barcode- und Farbscanner. „Die neue Technik hilft enorm. Trotzdem ist man sehr auf sein Gedächtnis angewiesen und die anderen Sinne mehr einzusetzen. Vieles ist mit Anstrengung verbunden. Beispielsweise war es eine Herausforderung, Leute zu finden, die fit sind und Zeit haben, mir bei der Einrichtung meiner Praxis zu helfen. Auch gute Freunde haben ja nicht immer Zeit“, sagte sie. In ihrer Freizeit engagiert sich Simone Strahl als Presbyterin in der Kirchengemeinde Eidinghausen-Dehme und als Synodalbeauftragte für Blinde und Sehbehinderte. Außerdem singt sie in der Kantorei der Altstadtgemeinde. „Ich habe in meinem eben nicht nur Grenzen und Schwierigkeiten erlebt, sondern auch Möglichkeiten, Kraftquellen und Segensspuren. Gott hat oft andere Wege für uns, als wir uns vorstellen. Menschen auf ihrem Weg weiterzuhelfen und mit meiner eigenen Geschichte zu ermutigen ist mir ein Anliegen“, sagte Simone Strahl.

Kontakt zur Referentin:

Simone Strahl

Praxis für christliche Lebensberatung und Psychotherapie

Meierhofstr. 13

32278 Kirchlengern.

Tel.: 05223/7920486

Homepage:

www.psychotherapie-strahl.de

Email: kontakt@psychotherapie-strahl.de.

 

Für die Blinden-und Sehbehindertenseelsorge hier im Kirchenkreis:

Tel.: 05731/755625.

Bildunterzeile: Engagiert: Simone Strahl (re.) berichtete von ihren Lebenserfahrungen als Blinde und zeigte ihr Notizgerät. Dr. Rosemarie Siegert, Leiterin der Frauenhilfe der Wicherngemeinde, hatte die Referentin eingeladen.