Im Mittelpunkt der Auftaktveranstaltung des 17. internationalen Literaturfestes „Poetische Quellen“ stand das Oratorium „La catastrofa“ von Etta Scollo, die auch selbst mit Sologesang und Gitarrenspiel mitwirkte. Michael Scholz, künstlerischer Leiter des Literaturfestes, hatte die Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat „KuK“ des Kirchenkreises Vlotho organisiert.
„Wir haben die Ehre, den Autor, dessen Werk dem Oratorium zugrunde liegt, zu Gast zu haben“, sagte Kulturpfarrer Hartmut Birkelbach in seiner Begrüßung. Moderator Jürgen Keimer, „die Stimme der Poetischen Quellen, über die wir uns jedes Jahr wieder von Herzen freuen“, so Hartmut Birkelbach, sprach mit Autor und Kulturjournalist Paolo Di Stefano über sein Werk.
„Ich muss gestehen, normalerweise lese ich alle Bücher, über die ich spreche. Doch dieses ist noch nicht übersetzt worden. Das Oratorium gibt aber die Essenz des Werkes wieder“, sagte Jürgen Keimer und fragte den Autor, was ihn bewogen habe, das Buch zu schreiben. „Zum 50. Jahrestag der Bergbaukatastrophe war ich für eine andere Reportage im belgischen Marcinelle. Ich war beeindruckt, als Überlebende und Angehörige Erinnerungen an das Unglück erzählten. Es war die erste große Katastrophe der italienischen Republik. Da es bisher keine Literatur darüber gab, beschloss ich, zu recherchieren und Originaltöne zu sammeln.“ Kurz nach dem zweiten Weltkrieg machten sich viele Freiwillige auf den Weg, um in belgischen Bergwerken zu arbeiten, gelockt mit falschen Versprechungen von sicherer Arbeit. Im Gegenzug der staatlichen Vereinbarung erhielt Italien Kohlelieferungen aus Belgien.
„Die Musik all dieser unterschiedlichen Stimmen aufzuschreiben, was sie sagten und wie sie es sagten, war eine schöne und zugleich schwierige Arbeit“, so der Autor über seinen Wahrheitsroman. „Alles ist authentisch, nichts erfunden.“ Mit dem Abdruck der alten Prozessakten möchte er auch an die falsche Justiz erinnern. „Beim Prozess kamen die Verantwortlichen mit der Mindeststrafe davon“, so Paolo Di Stefano. „Italien ist heute ein reiches Land. Doch die Thematik der Arbeitsmigration ist nach wie vor international aktuell.“
Mit den Worten „Ein Warentausch. Männer gegen Kohle“ begann nach der Pause das Oratorium. Gesungen wurde auf Italienisch, die Übersetzungen der Texte an eine Leinwand projiziert. Während der Aufführung hätte man im Kirchraum eine Stecknadel fallen hören können, so gebannt waren die Zuhörer. Ergreifend waren die Worte des Sprechers Udo Samel, der die Geschichte des Unglücks erzählte. Ergreifend auch die Stimme von Etta Scollo, die sich selbst auf der Gitarre begleitete, und mit mal frohen, hoffnungsvollen, dann wieder melancholischen Melodien vom alltäglichen Leben in Marcinelle sang. Eva Freitag am Violoncello und Cathrin Pfeifer am Akkordeon komplettierten das Instrumentaltrio. Eigens für die Aufführung hatte sich einige heimische Sänger zum Projektchor „La Gioia“ zusammengefunden. Unter der Leitung von Christiane Schmidt sorgten auch sie für Gänsehautmomente bei den Zuhörern. Mit lang anhaltendem Applaus würdigten sie nach dem Ende des Oratorium die Leistung der Mitwirkenden.
Im Gespräch: Moderator Jürgen Keimer (li.) unterhielt sich mit Paolo Di Stefano über sein Werk. Annette Kopetzki übersetzte.
Etta Scollo (Mitte), Udo Samel und alle weiteren Mitwirkenden freuen sich über den Applaus des Publikums.