„Über die eigene Angst redet man nicht gern. Obwohl uns Deutschen nachgesagt wird, wir seien ein ängstliches Volk“, sagte Pfarrer Lars Kunkel. Beim Gesprächsabend „Angsthase, Pfeffernase“ im „Forum im Foyer“ der Auferstehungskirche am Kurpark standen verschiedene Aspekte von Angst im Fokus.
Psychologe und Psychotherapeut Peter Wellpott betrachtete in seinem Vortrag das Thema aus der Sicht eines Therapeuten. „Ängste gelten als die häufigste psychische Störung. 20 Prozent der Bevölkerung leiden darunter. Doch völlig angstfrei ist niemand“, begann er sein Referat. „Viele Ängste sind unspezifisch. Im Gegensatz zu den kulturübergreifenden Grundgefühlen wie Freude, Wut, Traurigkeit, Ekel oder eine spezifische Furcht sind sie wenig gegenständlich. In Ängsten mischen sich mehrere Gefühle“, sagte er und nannte Enttäuschung als Mischung aus Wut und Traurigkeit als Beispiel. In der Eifersucht kommt noch die Angst, verlassen zu werden, hinzu. Ein sehr mächtiges Gefühl.“ Viele Ängste basieren auf Demütigung, Missachtung oder Vernachlässigung in der Kindheit. „Diese Fehler in der Kindererziehung bleiben lange im Gedächtnis“, so Peter Wellpott.
Er sprach über die Funktion von Angst, die körperliche und seelische Unversehrtheit zu erhalten. „Die körperlichen Anzeichen wie Herzklopfen, Schwitzen und steigender Blutdruck sind dieselben wie bei Verliebtheit, doch im Unterschied dazu ist Angst keine freudige Erregung“, sagte er. Da Angst Wahrnehmung und Reaktionsgeschwindigkeit verdoppelt, aber durch den Adrenalinschub gleichzeitig die Denkfähigkeit blockiert wird, riet er, bei Prüfungsangst Wichtiges auswendig zu lernen. „Ängste sind intelligenzkontrollierend. Manche Menschen versuchen, ihre Ängste mit Drogen zu betäuben, doch das ist gefährlich“, warnte der Psychologe und stellte die These auf: „Wenn der Alkohol aus der Welt wäre, hätte ich 50 Prozent weniger Patienten und auch die Gefängnisse wären leerer.“
Als Maßnahme gegen Angst empfahl Peter Wellpott, sich selbst ernst zu nehmen. „Wenn man sich selbst einredet und der von anderen gesagt bekommt, das sei doch nicht so schlimm, fühlt man sich missachtet. Die dadurch entstehende Wut wird durch die Affektverschiebung aber nicht nach außen getragen, sondern verstärkt die Angst. Man wird für nichts mehr erreichbar, auch nicht, sich selbst Mut zu machen“, erläuterte er. Stattdessen empfahl er, sich angstbesetzten Situationen und Dingen schrittweise zu nähern. „Reden Sie sich und anderen gut zu und signalisieren Sie Verständnis“, riet er den Anwesenden. „Menschen neigen oft dazu, sich noch selbst zu beschimpfen, wenn es ihnen schlecht geht. Doch Angst ist keine Schande. Man darf sich Hilfe holen. Dinge offen anzusprechen, egal ob mit Freunden oder einem Profi, bedeutet, sie ernst zu nehmen“, schloss er seinen Vortrag. Nachdem die Zuhörer interessiert gelauscht hatten, tauschten sie sich zum Abschluss des Abends in kleinen Gruppen über das Thema aus.
Mutig: Das Team des „Forum im Foyer“ der Altstadtgemeinde hatte einen Abend zum Thema Angst vorbereitet. Psychologe Peter Wellpott (re.) hielt einen informativen Vortrag.