Musikalischer Ostergruß aus der Region Vlotho

Nun hat es sich irgendwie so eingebürgert: es sind immer die ganz-ganz alten Lieder, zu denen wir uns im Gemeindebrief neue Gedanken machen. Lieder, die man sonst kaum noch singt, weil sie auch gar nicht mehr so unmittelbar verständlich sind, aber prall voll mit Theologie und zu schade zum Entsorgen.

Diesmal haben wir ein Osterlied ausgesucht, das Martin Luther 1524 übertragen hat aus dem lateinische Osternachthymnus „Victimae paschali laudes“ des Wipo von Burgund (der lebte vor 1050 und hieß wirklich so!). In diesem Lied wird Ostern als Weltendrama geschildert: Der Tod, der uns in seinem Reich gefangen hält, wird entmachtet und seiner Gewalt beraubt – ein „wunderlicher Krieg“.

1
Christ lag in Todesbanden,
für unsre Sünd gegeben,
der ist wieder erstanden
und hat uns bracht das Leben.
Des wir sollen fröhlich sein,
Gott loben und dankbar sein
und singen Halleluja.
Halleluja.

2
Den Tod niemand zwingen konnt
bei allen Menschenkindern;
das macht alles unsre Sünd,
kein Unschuld war zu finden.
Davon kam der Tod so bald
und nahm über uns Gewalt,
hielt uns in seim Reich gefangen.
Halleluja.

In dieser zweiten Strophe wird klar: Ostern ist mehr als nur ein individuelles Geschehen. Es geht nicht nur um meine ganz persönliche Auferstehungshoffnung, sondern um das das Heil, den Sinn und das Ziel der Welt! Ostern eine von den ganz großen Geschichten – vielleicht  die große Geschichte des Lebens, der Menschen und der Welt …

Der lateinische Text zeigt schon Ansätze von Rhythmus und Reim – und zwar geschmeidiger als die Übertragung durch Luther, die manchmal ziemlich gegen den Sprachfluss angeht und darum nicht leicht zu singen ist. Damit bot sich tatsächlich an, den lateinischen Hymnus im Gottesdienst quasi aufzuführen. Er wurde zu einer der Quellen der mittelalterlichen Osterspiele. So stelle ich mir das vor: ein mittelalterlicher Marktplatz in der Frühlingssonne, Schalmeien, Krummhörner und Zinken. Auf einer kleinen Bühne fahrende Schauspieler und die Menschen, die sich da zusammendrängeln, lachen Tod und Teufel aus. „Ein Spott aus dem Tod ist worden. Halleluja!“, dichtet Luther (Str. 4). Das hat was!

Für die folgenden Strophen des Lutherliedes (man findet es unter der Nr. 101 im Evangelischen Gesangbuch) braucht man ein wenig Hintergrundwissen. In der lateinischen Vorlage wurde der Unglaube der Juden gegenüber dem Ostergeheimnis beklagt. Zum Glück stimmt Luther dabei diesmal nicht mit ein. Im Gegenteil: er führt das Bild des Osterlammes zurück auf seine Wurzeln in der Geschichte von Auszug und Befreiung Israels aus der Sklaverei in Ägypten. Da liegt der Ursprung des Passahmahles, für das ein Lamm geschlachtet wurde. Das Blut dieses Lammes sollten die Hebräer an ihre Türpfosten streichen, um vor dem „Würgeengel“ geschützt zu sein. Die frühe Kirche hat dieses Bild aufgenommen und auf Christus übertragen: so wie das Passahlamm schützt er die Seinen und rettet sie aus der Knechtschaft der Sünde. 

Auch da Bild vom „alten Sauerteig“ spielt auf die Entstehungsgeschichte Israels an. In jener Nacht sollten die Hebräerinnen schnelles Brot für die Reise backen, Brot, das keine Zeit zum Durchsäuern hatte. Deshalb wird im Judentum eben auch bis heute am Passahfest „Matzen“ gegessen, ungesäuertes Brot. Im Judentum ist dieses Brot Zeichen für den Neuanfang, und genau das ist auch in der 7. Strophe des Lutherliedes gemeint: „Wir essen und leben wohl, zum süßen Brot geladen; der alte Sau'rteig nicht soll sein bei dem Wort der Gnaden“.

Großartige Bilder, wunderbare Melodie, durch die man sich in eine der großen Kathedralen mit dieser unglaublichen Akustik versetzt fühlen kann. Lange Pausen zwischen den Textzeilen, in denen man dem Hall nachlauschen kann …  der Choral ist mehrfach vertont worden, von Telemann, von Pachelbel und natürlich von Johann Sebastian Bach.