„Kann man etwas vermissen, das man nie erlebt hat?“ Gute Worte to go von Pfarrerin Gesina Prothmann

von Pfarrerin Gesina Prothmann, Klinikseelsorgerin im Herz- und Diabeteszentrum NRW

Beim Philosophieren mit meiner Familie über den Schöpfungsbericht bleiben wir an dieser Frage hängen. Aber mal von Anfang an:

„Da machte Gott, der Herr, den Menschen. Und blies ihm den Lebensodem ein! Und Gott pflanzte einen Garten in Eden und setzte den Menschen dort hinein. Und Gott sprach: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei, daher will ich ihm ein Gegenüber machen.“ Und dann schuf er allerlei Tiere und brachte sie dem Menschen, damit er sie anschauen sollte und ihnen einen Namen geben, den sie für immer tragen sollten.“ (nach Genesis 2, 4-20)

So liebevoll begann nach der Vorstellung der Bibel einst die Beziehung zwischen dem Menschen und den Tieren. Und auch Gott schätzte den Menschen so sehr, dass er sich die Mühe machte, ihm jedes einzelne Tier vorzustellen.

Wie bei einer Jury: Der Mensch sitzt auf einer Wiese hinter einem Tisch und Gott kommt mit einem Tier nach dem anderen beim Menschen vorbei, geht mit ihm auf und ab. Der Mensch schaut ganz genau hin, wie es läuft, während Gott anpreist, was das Tier alles kann, wie groß es vielleicht noch werden wird, lässt sein Fell anfassen, weist drauf hin, dass es Eier legen, schnell laufen oder schnurren kann oder besondere Zähne hat: „Huhn“, „Gepard“, „Katze“, „Elefant“, so der Mensch mit einem ernsten Gesicht.

Das ist einige tausend Jahre her.

„Wo ist das Tier, das du Huhn, genannt hast? Ich kann es nicht finden? Es hatte doch so schöne, weiche Federn und roch so gut. Hier sehe ich nur so ähnliche Tiere mit kaum noch Federn und an ihrem Körper klebt überall Kot! Und dieses schnelle Tier mit den tollen Punkten auf dem Fell, habe ich gar nicht mehr finden können! Ist es so schnell geworden, dass ich es nicht mehr erfassen kann oder ist es gar weg? Und das gigantisch hohe Tier, das du „Elefant“ nanntest, liegt regungslos auf der Erde und hat gar nicht mehr diese imposanten weißen Zähne, die ich ihm extra gegeben habe? Weißt du, Mensch, was mit denen los ist und wo die hin sind?“

Gott versteht die Welt nicht mehr. Zur Beruhigung setzt er sich erst einmal hin. Eine herumstreunende Katze geht ihm auf den Schoß. Gott streichelt sie gedankenversunken.

„Irgendwie ist das aus dem Ruder gelaufen“, kommt es aus dem Menschen heraus, der eben noch wie versteinert neben Gott gestanden hatte und setzt sich ebenfalls.

„Was wäre eigentlich, wenn ich dir keine Gehilfen für dein Leben gegeben hätte? Wenn du die Natur ganz für dich allein hättest?“

Kein Vogelgezwitscher, keine Milch, keine Schmetterlinge, keine warmen Lammwollsocken, keine weiche Katze auf dem Schoß, kein Ausritt durch den Wald, kein Summen in der Luft… Oh, ich würde so viel vermissen!

„Und die Tiere? Würden sie dich auch vermissen, Mensch?“

Die Katze, vom Schoß Gottes, war inzwischen auf den des Menschen gegangen, der sie schon längere Zeit mit der linken Hand ausführlich unter dem Kinn gekrault hatte.

Jetzt sprang sie herunter und ging erhobenen Schwanzes von den beiden weg. Gott und der Mensch schauten ihr lange nach.

„Was denkst du? Die Katze, würde sie mich vermissen, wenn ich gar nicht da wäre?“, fragte der Mensch traurig.

„Sie würde ja nicht wissen, wie es ist, gestreichelt zu werden, also würde ihr erst einmal nichts fehlen. Aber sie würde immer spüren, dass das Leben noch schöner sein könnte, wenn man jemanden hat, der einen liebkost und für den man wichtig ist.“

„Das bin ich wohl einigen ihrer Freunde schuldig geblieben!“, sagte der Mensch, stand auf, suchte den Geparden, gab dem Elefanten seine Stoßzähne zurück und öffnete die Tür des Hühnerstalls.

Gottgeschenk
Überall Leben
Immer nur ich
Liebe bekommt einen Namen
Umkehr

Pfarrerin Gesina Prothmann

Herz- und Diabeteszentrum

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