Es regnet, Gott segnet, die Erde wird nass… (Renate Wefers)

Gedanken zum Sonntag Trinitatis, den 7. Juni 2020

Es regnet, Gott segnet, die Erde wird nass…

das ist ein Lied, dass ich vor langer Zeit im Kindergarten gelernt habe. Da fand ich das eher blöd. Denn gefühlt regnete es in meiner Kindheit dauernd, es regnete, wenn Opa im Garten Geburtstag feiern wollte, es regnete, wenn wir am 1. Mai in den Zoo wollten, es regnete, wenn wir in Urlaub nach Österreich fuhren… erst heute, wo es nur noch viel zu selten regnet, verstehe ich, was das bedeutet: Gott segnet, die Erde wird nass, das Korn kann wachsen für das tägliche Brot…

Regen bedeutet Segen – um einen ganz besonderen Segen geht es an diesem Sonntag in der Predigt, um den priesterlichen Segen Israels, wie er – in hebräischer Sprache natürlich, heute noch in der Synagoge gesprochen wird. Dank Martin Luther ist auch ein fester Bestandteil unseres evangelischen Gottesdienstes:

Und der HERR redete mit Mose und sprach: Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:

Der HERR segne dich und behüte dich;

Der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir

und sei dir gnädig;

Der HERR hebe sein Angesicht über dich

und gebe dir Frieden.

Denn ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, daß ich sie segne.

(4 Mose 6, 23-27)

Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind im Konzert bei ihrem Lieblingskünstler oder im Stadion bei Ihrem Verein, nach einem Superspiel. Wie gern würden Sie jetzt dabei sein, bei der Aftershow-Party, in der VIP Lounge, einmal mit Ihren Stars locker plaudern… Und da ist auf einmal die Gelegenheit, eine offene, unbewachte Tür, sie hören die Musik, Sie gehen rein – obwohl Sie dafür keine Eintrittskarte haben, das Bändchen am Handgelenk Sie dazu nicht berechtigt. Da kommt auch schon die Security, jetzt fliegen Sie hier gleich raus, das wird peinlich, aber da kommt doch tatsächlich auch Ihr Star und sagt: Kein Problem, Sie können gerne bleiben. Der / die gehört zu mir. Wow. Ist das toll.

So was ähnliches, nur nicht so glamourös, habe ich mal im Nahverkehrszug miterlebt. Da war ein junger Mann mit Gitarrenkoffer im Abteil, die Kontrolleurin kam, die Fahrausweise bitte! Der junge Mann kramt in seiner Tasche, in den Hosentaschen, in der Jacke. Er wird nervös, sagt: ich hatte eine Fahrkarte, das müssen sie mir glauben. Aber die Kontrolleurin sagt ungerührt: Damit wird ein erhöhtes Beförderungsgeld von 60 € fällig. In diesem Moment sagt eine Frau, zwei Sitzreihen weiter: Ach was. Der gehört zu uns. Wir haben ein NRW Schöner Tag Ticket, da dürfen 5 Personen mitfahren und mein Mann und ich sind nur zu zweit. Was für eine Überraschung! Die Freude und Erleichterung auf dem Gesicht des jungen Mannes war zu schön!
Das ist Segen! Erleichterung, Freude, unverdiente Gnade. So sollt ihr mein Volk segnen. lässt Gott den Söhnen Aarons, den Priestern Israels, durch Mose ausrichten. Ihr sollt meinen Namen auf sie legen. Niemand darf ihnen etwas tun, denn sie gehören zu mir, sie sind meine Leute. Sie stehen unter meinem persönlichen Schutz.

Gottes Segen, mit seinem heiligen Namen, ist wie ein wärmender Mantel, unter den wir uns flüchten dürfen. So, wie auf den mittelalterlichen Bildern von der Schutzmantelmadonna. Auf dem Bild rechts ist es die Schutzmantelmadonna von Ravensburg. (um 1480) Genauso finden wir unter Gottes Segen Zuflucht. So, wie Kinder, die sich im Kinderzimmer aus Decken eine schützende Burg unter dem Tisch bauen, so ist Segen ein Raum absoluter Geborgenheit. Alles Bedrohliche, alles, was mir Angst und Sorgen macht, bleibt außen vor. Hier kann mir niemand was tun.

Denn Gottes Name, der Name, der den Israeliten so heilig ist, dass seit der Zerstörung des Tempels niemand mehr ihn ausspricht, lautet annäherungsweise: „Ich bin da. Ich bin jetzt da für dich – und alles wird gut.“
Mit diesem Namen Gottes segnen auch wir. In diesem Namen feiern wir Gottesdienst. Denn es ist Gott selbst, der da wirkt, nicht Mose. Er ist nur der Überbringer, nicht die Priester, die Söhne Aarons, und auch nicht wir, die Pastorinnen und Pastoren. Wir geben nur weiter, was nur Gott selbst schenken kann: Seinen Segen, seine Gegenwart, die Geborgenheit unter seinem persönlichen Schutz.

Das ist eine enorme Verantwortung, denn natürlich können Pfarrer und Priester, natürlich kann ich mit meinem persönlichen Verhalten Gottes Segen verdunkeln. Das ist das tieftragische an sexuellem Mißbrauch in den Kirchen. Wie soll ein Kind jemals wieder der Zusage von Gottes Segen vertrauen, wenn es so Schlimmes erlebt hat von denen, die dazu berufen waren, diesen kostbaren Schatz weiterzugeben? Sie haben nicht nur das Kind, sie haben auch Gott selbst damit tief verletzt.

Was sagt Gott uns zu, wenn wir zu ihm kommen und uns unter seinen Segen stellen?

Ein dreifaches Versprechen ist damit verbunden. Das ist auch der Grund, warum dieser Segen am Fest der Dreifaltigkeit bedacht wird.

Zuerst das Naheliegende: Du bist gesegnet und behütet. Gott sorgt für dich mit dem, was du dringend zum Leben brauchst: Nahrung und Kleidung, Familie, Arbeit und Gesundheit. Es regnet, Gott segnet. Nichts davon ist selbstverständlich. Alles kommt von Gott, auch, wenn du selbst etwas dazu tust. Dein Abi, dein beruflicher Erfolg, ist Gottes Geschenk an dich. Das sollte Dich und mich bescheiden machen und großzügig anderen gegenüber, so, wie das Ehepaar im Zug großzügig gehandelt hat.

Du bist gesegnet und behütet, du bist erleuchtet und begnadet: Gott gibt dir Begabungen mit und lässt sein Angesicht über dir leuchten, so wie die Sonne am Himmel leuchtet, so dass du dein Leben lang wachsen und dich weiterentwickeln kannst du dem Menschen, den Gott schon längst in dir sieht. Selbst wenn du falsche Wege einschlägst und dich verirrst Gott findet dich wieder. Seine Gnade gibt dir immer die Chance, umzukehren und wie ein Kind, dass sich verlaufen hat, zurück unter seinen weiten Mantel zu flüchten.

Du bist gesegnet und behütet, begnadet und erleuchtet, und du bist angesehen und wirst Frieden finden.

Gott erhebt sein Angesicht auf dich. Er sieht dich, wie der Star, die verehrte Künstlerin, die dich wahrnimmt und einlädt, bei ihrem Fest dabei zu sein. Für Gott bist du prominent. Weil Gott dich sieht, von Anfang an, bist du eine angesehene Persönlichkeit – und mußt dich vor keinem Menschen klein machen. Ja, um der Ehre Gottes Willen, der dich erwählt hat, darfst du das gar nicht. Du brauchst dich aber auch nicht aufzublasen, nicht herum zu schwadronieren, keine Statussymbole vor dir herzutragen, das hast du alles doch gar nicht nötig, weil du Gott längst schon unendlich wichtig bist. Was für eine Erleichterung! Wieviel Energie in deinem Leben kannst du auf wirklich wichtige Dinge richten, wenn du diesen ganzen Aufwand für deine Selbstdarstellung einfach sein lassen darfst.

So findest du Frieden, mit Gott, mir dir und mit den anderen. Frieden, das ist das wertvollste Gut. Der krönende Abschluss des Segens Gottes. Das Ziel von allem anderen. Das letzte Wort ist Frieden.

Nicht nur der große Frieden in der Welt ist gemeint, der immer wieder in so weite Fernen rückt, Frieden zwischen schwarz und weiß, zwischen den Völkern und Nationen. Sondern auch der kleine Frieden, Frieden zwischen Nachbarn und Kollegen und in der Familie. Frieden mit dir selbst, wenn du mit dir haderst, wenn du nicht zur Ruhe kommst, vor lauter Sorgen und Fragen keinen Schlaf findest.

Frieden ist vielleicht nicht mehr, als ruhig schlafen können, ohne Angst, ohne Existenzsorgen, ohne Schmerzen. Das erscheint auf den ersten Blick wenig und ist bei näherem Nachdenken doch so viel. Wann hätte es das je gegeben, dass alle Menschen auf der Welt, vielleicht wenigstens einmal alle Kinder, gut schlafen können, ohne Alpträume, satt und zufrieden. Wer Kindern mal bei Schlafen zugesehen hat, weiß. Ein schöneres Bild für den Frieden kann es nicht geben.

Frieden ist das, was wir Menschen uns vielleicht am meisten wünschen und woran wir doch immer wieder scheitern. Frieden, in der Welt und in unserer Seele, ist das größte Geschenk Gottes, um das wir immer wieder nur bitten können, unsere Hände öffnen, und seinen Segen, seinen Frieden in uns aufnehmen.

So ist der Segen immer beides zugleich, Zusage und Bitte, ein Tropfen Wasser, der die Wüste zum Blühen bringen kann, eine Wegzehrung für den nächsten Schritt. Gott bleibt uns immer voraus und lässt uns doch nie im Stich.

So wünsche ich Ihnen allen Gottes Segen:

Es segne dich und behüte dich der Ewige,

der Ewige lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,

der Lebendige, gelobt sei sein Name, erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.

Amen

Pfarrerin Renate Wefers